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Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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freiem
Himmel lag, wo Thomas Schlafzimmer mit Betten entdeckte, die mit Baldachinen
und Moskitonetzen überspannt waren. In der Nähe eines Bettes stand ein
Jasminbaum, auf der korallenroten Terrasse ein Frangipani-Baum. Der Duft der
Blüten erfüllte die Räume und löschte die Gerüche der Straße aus. Er sah auf
das deckenlose Schlafzimmer und vermutete, daß es auf Lamu wohl nie regnete.
Bei seinen weiteren Erkundungen stieß er auf ein Schlafzimmer, in dem eine
Schüssel mit frischem Wasser stand, und er wusch sich Gesicht und Hände. Hinter
dem Frisiertisch mit der Marmorplatte, auf der die Schüssel stand, sah man
einen Hibiskusbusch, dessen leuchtende Blüten sich gegen den tiefblauen Himmel
abzeichneten. Als er den Raum verließ, bemerkte er, daß jemand (Mr. Hussein?)
Jasminblüten auf die Kissen gestreut hatte.
    Der Diener hatte einen Imbiß aus Eiern, Joghurt und kaltem Tee
zubereitet, den Thomas an einem Tisch im Hof dankbar einnahm. Er wünschte, der
Suaheli wäre geblieben, weil er ihm gern ein paar Fragen gestellt hätte – Wem gehörte
das Haus? Wohnten öfter Leute seines Schlags hier? –, aber Mr. Hussein war
wieder in die Küche verschwunden. Thomas aß die Eier und den Joghurt und hatte
das Gefühl, ein guter Geist (oder zumindest ein anteilnehmender) sei für sein
erstaunliches Glück verantwortlich. Und es fiel ihm nicht schwer, dies als ein
Zeichen dafür zu deuten, daß sein Vorhaben in einer Welt, die parallel zu der
seinen verlief, vielleicht sogar begünstigt wurde. Doch als er im nächsten
Moment an Regina dachte, die zu Hause Rich gesund pflegte, legte er die Hände
über die Augen. Er wußte, es war reine Verblendung, sich vorzumachen, es gäbe
irgendein Universum, in der diese Reise für gut befunden würde.
    Er sah sie auf sich zukommen und trat die Zigarette auf dem
Boden aus. Sie trug ein Sommerkleid aus weißem Leinen, das bis zur Mitte der
Waden reichte, und hatte einen Schal um die Schultern gelegt. Sie hatte sich
zurückhaltend gekleidet, wie es Frauen für Lamu geraten wurde, dennoch bemerkte
Thomas, daß, als sie näher kam, jeder Mann den Blick hob, um die blonde mzungu anzusehen. Sie hatte das Haar zu einem Knoten
geschlungen, aber angesichts des leuchtenden Goldtons drehten alle Leute in
dieser Stadt, wo man nur dunkle Haut und bui-bui sah, die Köpfe nach ihr um.
Das andere Blitzen von Gold, das Kreuz um ihren Hals, erschien höchst
unangebracht in dieser muslimischen Stadt, aber er war froh, daß sie nicht
daran gedacht oder es bewußt nicht versteckt hatte. Der Suaheli, der neben ihr
ging und ihre Tasche trug, wirkte klein neben der hochgewachsenen schlanken
Frau, die auf den vor dem Hotel wartenden Thomas zukam. Einen Augenblick lang
sprach und rührte sich keiner von beiden, jeder war sich des Trägers und der
Männer auf der Straße bewußt, die sie immer noch beobachteten.
    »Linda«, sagte Thomas.
    Sie umarmten sich. Züchtig, wie sich ein Paar in der Öffentlichkeit
umarmt, ohne Kuß und längere Berührungen. Die Haut ihrer Arme fühlte sich kühl
unter seinen Händen an. Wortlos drehte er sich um und gab dem Träger ein
Trinkgeld. Thomas nahm ihre Tasche. »Ich habe ein Haus«, sagte er.
    Sie nickte nur, was er als Erlaubnis verstand, sie hinzuführen. Sie
schwiegen beim Gehen, Thomas hatte sich den Weg gemerkt, und keiner wollte den
Zauber brechen, der sie vor Petley’s eingehüllt hatte – den Zauber der
Erwartung, der von Zurückhaltung gezügelt war. Er sah auf ihre Füße in den
Sandalen, die unter dem Saum ihres Kleids zum Vorschein kamen, und spürte
gelegentlich ihren Ellbogen, der über seinen Arm streifte. Von den Minaretten
begannen die Muezzins wieder zu rufen: Die ganze Welt schien von Religiosität
und Sinnlichkeit durchdrungen zu sein, von den Eigenschaften, die er mit der
Frau neben sich immer in Verbindung gebracht hatte. Sie verhielten sich nicht
ausgesprochen scheu zueinander, obwohl Thomas sicher war, daß sie im Moment das
gleiche fühlten: Daß sich jeder – auch wenn sie nach außen hin das ruhige Paar
abgaben, das langsam durch die Hitze schritt – der Abmachungen bewußt war, der
lebenslänglichen Verträge, die eingehalten werden mußten.
    Unter Hunderten fand er die Tür, die für sie bestimmt war. Als er
den Schlüssel ins Schloß steckte, fragte er sich, wie er sich Mr. Hussein
gegenüber verhalten sollte, der sicher auftauchen würde, der mzungu Frau vorgestellt werden wollte und ihr ein Glas
kalten Tee anbieten würde. Aber

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