Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)
ihres
Bauchs, als sie den Hals zurückneigte. Auf die gleiche Weise verschlang sie
ihren Anteil an den Süßigkeiten, was ihn zum Lachen brachte, und er bot ihr den
seinen an, den sie ohne Zögern annahm.
»Sex macht hungrig«, sagte er und haßte sich sofort dafür, denn es
reduzierte ihr Zusammensein auf ein Erlebnis, das sie mit jedem Mann teilen
könnte, vielleicht täglich mit dem Mann namens Peter teilte.
Sie verstand das Mißgeschick, das ihm unterlaufen war und
korrigierte ihn vorsichtig. »Das war kein Sex«, sagte sie.
Er saß neben ihr auf dem Bett und wollte wieder mit ihr schlafen. Er
wollte sie an den Schultern und zwischen den Beinen berühren. Sind
Flitterwochen so? fragte er sich. Er wußte es nicht, weil er selbst keine
richtigen gehabt hatte. Regina weinte fast ständig über den Verlust des Babys,
das sie nur eine Woche vor der Hochzeit verloren hatte. Es war eher eine Art
Totenwache gewesen. So notwendig die Trauer auch war, so ungünstig war der
Zeitpunkt dafür. Doch um ehrlich zu sein, er war fast erleichtert gewesen, weil
er sich seiner Verstellung nur allzu bewußt war.
»Du hast mir einen Spaziergang versprochen«, sagte sie und berührte
ihn.
Sie gingen Hand in Hand durch die Stadt, sahen sich die
islamischen Schnitzereien und den Silberschmuck der Suahelis an, nahmen aber
weder die Schnitzereien noch den Schmuck richtig wahr, sondern dachten an die
Vergangenheit, die jüngste Vergangenheit und die Ehefrau oder den Ehemann des anderen.
Sie stellten sich Hochzeiten, Häuser und Wohnungen vor, in denen sie nie gelebt
hatten, und einmal, besonders schmerzlich, die Zukunft mit einem Kind, obwohl
die Zukunft ein leeres Blatt für sie war, unbeschrieben und unvorstellbar. Der
Gedanke: nur ein Tag, nur eine Nacht , ließ ihn nicht
los, und ein- oder zweimal war er kurz davor, die Grenze zwischen dem
Erträumten und dem Möglichen zu überschreiten. Aber er tat es nicht, aus Angst,
daß jeder Plan, der die Verletzung anderer beinhaltete, Linda in die Flucht
schlagen würde. Es war eine Rechenaufgabe, die er nicht lösen konnte – wie wäre
ein Zusammensein möglich, ohne eine Katastrophe heraufzubeschwören –, und mit
der Unlösbarkeit der Aufgabe, die seine Stimmung auf einen Nullpunkt brachte,
spürte er, wie sein Unvermögen sein Gehirn starr und leer werden ließ.
Sie aßen bei Petley’s zu Mittag, keiner von ihnen war hungrig,
dennoch bestellten sie zu viel Essen – pweza, supa ya
saladi, kuka na kupaka (Hummercocktail, Wasserkressesuppe, Hühnchen in
Kokossoße). Sie blieben sitzen, als die anderen Gäste gegangen waren, und
verweilten noch lange, nachdem ein verwirrter Kellner die kaum berührten Teller
abgetragen hatte. Sie bestellten zu viele Drinks (überraschenderweise sie mehr
als er), bis er aufsah und bemerkte, daß die Kellner in die Mittagspause gehen
wollten. Er stand leicht benommen auf (tatsächlich vier Scotch?) und schlug
vor, zu Fuß nach Shela zu gehen, eine verrückte Idee nach all der Trinkerei und
ohne nennenswerten Schutz vor der Mittagshitze entlang des Wegs. Obwohl er
eigentlich in das Schlafzimmer mit den Jasminblüten auf den Kissen zurückkehren
und mit ihr, eng an sich gepreßt, schlafen wollte.
Sie folgten handgeschriebenen Schildern nach Shela und durften auf
einem Militärlastwagen mitfahren, der über Straßen holperte, die von Sand
überweht waren. Auf der Sitzbank in der Ladefläche schlief sie kurz ein, den
Kopf in seinen Schoß gelegt. Ihre Schulter war von der Sonne verbrannt, als sie
den Strand erreichten, da sie das Tuch bei der Auslage eines Schmuckladens oder
bei Petley’s vergessen hatte. Sie saßen auf der Veranda von Peponi’s, dem
einzigen Strandhotel, tranken Wasser und aßen Grapefruits – inzwischen doch
hungrig –, bis das Gefühl der Benommenheit im Schatten langsam nachließ.
»Wie bist du hergekommen?« fragte er, da er zu beschäftigt gewesen
war, um sich über ihre Arrangements Gedanken zu machen.
»Ich bin aus Malindi raufgekommen.«
»Das muß ein Abenteuer gewesen sein.«
Sie sah weg, vielleicht weil sie die Frage kannte, die er gleich
stellen würde.
»Warum Malindi?«
Sie zögerte. »Peter ist dort«, sagte sie.
Daß sie mit Peter an der Küste war, hätte eigentlich nicht weiter
wichtig sein sollen – nicht wichtiger als die Tatsache, daß er Regina erst an
diesem Morgen verlassen hatte –, aber dennoch störte es ihn.
Linda ging nicht näher darauf ein. Sie trank einen Schluck Wasser.
Es war auf Flaschen
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