Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)
er an das Haus dachte, fiel ihm Mr. Hussein
ein, der sich vielleicht Sorgen machte, wenn Thomas am Abend nicht zurückkam.
Er dachte daran, anzurufen, aber er kannte weder die Telefonnummer noch den
Namen des Hausbesitzers. Beim Blick auf die Uhr sagte er sich, daß jetzt auch
das Museum nicht mehr geöffnet wäre.
Die Übelkeit weckte sie auf. Sie schreckte hoch und schoß ins
Badezimmer. Thomas folgte ihr nicht, weil er wußte, daß sie das nicht wollte,
daß der Verlust ihrer Intimsphäre sie wahrscheinlich am meisten bedrückte. Er
hoffte, sie würden eines Tages darüber reden. (›Erinnerst du dich an den Tag
auf Lamu? Als du krank wurdest? – Es ist einer der fünf oder sechs wichtigsten
Tage in meinem Leben. – Und welche waren die anderen? – Der heutige, zum
Beispiel.‹)Möglicherweise würden sie sogar darüber
lachen. Doch das setzte eine Zukunft voraus. Jeder Augenblick setzte eine
Zukunft voraus, genauso wie er eine Vergangenheit enthielt.
Die Hotelbesitzerin brachte ihm Essen (eine erfahrene Gastwirtin:
sie brachte Essen, das nicht roch); er ließ die Serviette darüber liegen, bis
Linda wieder eingeschlafen war. Er hatte selbst Kopfschmerzen, aber das war
nichts weiter als ein Kater. Sie wachte kurz nach Mitternacht auf, während er
selbst gerade döste. Als er zu sich kam, hörte er Wasser in die Badewanne einlaufen.
Er ging nicht ins Bad, obwohl er sie gern in der Wanne gesehen hätte. Er hatte
sie nie im Bad gesehen, überlegte er, und dann dachte er an die vielen anderen
Dinge, die sie nicht zusammen getan hatten – Essen kochen, ins Theater gehen,
die Sonntagszeitung lesen. Woher kam auf einmal dieser starke Wunsch, die
langweiligen Tätigkeiten des Alltags miteinander zu teilen?
Sie kam in einem Bademantel heraus, der dem Hotel gehörte, und legte
sich neben ihn. Ihr Gesicht war ausgezehrt und hager. Es war ihm peinlich, daß
er nicht gewaschen war. »Ich brauche ein Bad«, sagte er.
»Nicht jetzt«, sagte sie. »Halt mich einfach fest.«
Er glitt nach unten und kuschelte sich an sie.
»Es war dumm«, sagte sie. »Der Hummer.«
»Glaubst du, daß er es war?«
»Das weiß ich.«
Das Zimmer wurde nur durch das Licht aus dem Badezimmer beleuchtet.
»Du nimmst morgen früh eine Maschine«, sagte er.
»Peter holt mich vom Bus ab.«
»Du kannst den Bus nicht nehmen. Das kommt gar nicht in Frage.«
Sie widersprach ihm nicht.
»Ich lasse ihn vom Hotel aus anrufen.«
Er spürte, wie die leichte Anspannung in ihrem Körper nachließ. Sie
verlor das Bewußtsein.
»Weißt du, wo Peter wohnt?« fragte er schnell.
»Im Ocean House«, sagte sie und schloß die Augen.
Bis Tagesanbruch blieb er neben ihr liegen und döste
gelegentlich selbst ein. So vorsichtig wie möglich machte er sich von ihr frei,
nahm den Schlüssel, verließ das Zimmer und ging in die Halle, die noch leer und
still war. Er suchte nach einem Telefonbuch, konnte aber keines finden. Was
nicht weiter erstaunlich war. Er nahm das Telefon – einen schwarzen
altmodischen Apparat – und fragte nach der Nummer der Auskunft von Malindi. Als
er die Nummer hatte, rief er an und bat einen verschlafenen Portier, ob er ihn
mit Peter Shacklands Zimmer verbinden könne. Er wartete und trommelte nervös
mit einem Stift auf die hölzerne Rezeption.
»Hallo?« Ein deutlicher britischer Akzent, sogar in dem hallo. Das
hatte sie ihm nicht gesagt.
»Spreche ich mit Peter Shackland?«
»Ja. Am Apparat.« Britisch und auf jungenhafte Weise hübsch. Eine
unschlagbare Kombination.
»Ich rufe vom Peponi Hotel auf Lamu an.«
»Wirklich? Peponi’s? Ist etwas mit Linda?«
»Sie hat eine Fischvergiftung«, sagte Thomas. »Sie glaubt, von einem
Hummer, den sie gegessen hat. Sie hat uns gebeten, Ihnen auszurichten, daß sie
morgen früh nach Malindi zurückfliegt. Die Maschine geht um 7 Uhr 45. Leider
weiß ich nicht, wann sie ankommt.«
»Gegen halb acht, würde ich sagen.« Es entstand eine Pause. »O Gott,
das arme Ding. Natürlich werde ich sie abholen. War ein Arzt bei ihr?«
»Damit haben Sie vielleicht mehr Glück in Malindi.«
»Ja, ich verstehe. Na schön. Schläft sie jetzt?«
»Ich glaube schon.«
»Also gut. Vielen Dank. Tut mir leid, ich habe Ihren Namen nicht
verstanden?«
Thomas fühlte sich durch die Frage in die Enge getrieben. »John
Wilson«, sagte er schnell und verwendete den Namen des Flughafens.
»Amerikaner.«
»Ja.«
»Sie arbeiten für Marguerite?«
Thomas hatte die Frau nicht einmal nach ihrem Namen
Weitere Kostenlose Bücher