Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)
gefragt. »Ja.«
»Reizende Frau. Sie wissen nicht zufällig, warum Linda dort
abgestiegen ist, oder? Sie sollte eigentlich im Petley’s wohnen. Das Hotel muß
wohl voll gewesen sein?«
»Wahrscheinlich.«
»Macht nichts. Ich frage sie morgen. Danke, daß Sie sich um sie
gekümmert haben«, sagte der Mann namens Peter.
»Keine Ursache«, sagte Thomas.
Thomas legte den Hörer auf. Er ging durch die Halle auf die
Veranda hinaus. Die Luft war mild, die See fast glatt. Peter, der Engländer
war, kannte Marguerite. Peter, der Peponi’s kannte, hatte Linda wahrscheinlich
zu einem Ferienaufenthalt hergebracht.
Er zog die Schuhe aus. Der Himmel war rosa am Horizont. Er ging
durch den Sand, der sich kühl und feucht an seinen Fußsohlen anfühlte. Er würde
Linda nicht fragen, warum sie ihm nicht gesagt hatte, daß Peter Engländer war.
Er würde sie auch nicht fragen, ob sie in einem der Hotelzimmer miteinander
geschlafen hatten. Eine Fischer-Dhau glitt am Ufer entlang, und ein Mann lehnte
sich anmutig über den Schiffsrand, um ein Netz auszulegen.
Er würde nicht weit gehen, nicht lange wegbleiben. In eineinhalb
Stunden – weniger jetzt – würde er die Frau, die er verloren und dann
wiedergefunden hatte, in ein Flugzeug setzen.
15. Februar
Lieber Thomas,
ich möchte Dir danken und mich entschuldigen, obwohl ich genau weiß,
daß Du weder meinen Dank noch meine Entschuldigung willst.
Ich habe das Gefühl, mein ganzes Selbst auf Lamu zurückgelassen zu
haben, so daß nichts mehr von mir übrig ist. Ich bin ausgehöhlt und leer ohne
Dich.
Die wenigen Tage, nachdem ich nach Malindi geflogen bin, sind es
kaum wert, erwähnt zu werden. Ich wohnte in einem Hotel, bis ich mich genügend
erholt hatte, um nach Nairobi und dann nach Njia weiterzufahren. In Malindi
ließ Peter einen Arzt kommen – einen betrunkenen Quacksalber, der ständig über
die guten alten Zeiten reden wollte –, und abgesehen von einer Schachtel
Pillen, deren Namen wir nie so recht mitbekamen, die aber sehr gut wirkten, war
er nicht viel nütze und konnte nicht einmal feststellen, was mir fehlte. Obwohl
ich sicher bin, daß es der Hummer war. (Ich kann Dir, glaube ich, versichern,
daß ich nie mehr im Leben Hummer essen werde.)
O Thomas, ich sterbe vor Sehnsucht nach Dir. Du hast mir Fragen
gestellt, die in der Welt, die nur Du und ich bewohnen, vollkommen sinnvoll
sind, und ich habe Dir so schroff geantwortet, weil ich nicht darüber
nachdenken wollte, wie alles enden wird. Unsere Lage scheint mir um so
ungerechter zu sein, als wir so wenig Zeit zusammen hatten. Oder mache ich mir
etwas vor, wenn ich glaube, wir hätten auch nur auf eine einzige Minute Anrecht
außerhalb unserer Ehen? Ich wünschte manchmal, ich würde Gott nicht so sehr
hassen. Wäre ich gehorsam, könnte das Leben so viel einfacher sein.
Ich erinnere mich kaum an die Nacht, die wir zusammen verbrachten,
aber ich erinnere mich sehr gut an die kurze Zeit in dem herrlichen Haus, das
Du aufgetrieben hast. (Jetzt fällt mir ein, daß ich Dich nicht gefragt habe,
wie Dir das gelungen ist.) Was für ein außergewöhnlicher Raum! Zum Himmel hin
offen, als hätten wir nichts zu verbergen. Jasminblätter auf den Kissen, die
mir wie ein Erinnerungsgeschenk erscheinen, das jemand von einer Hochzeitsnacht
zurückgelassen hat. Wie gern ginge ich dorthin zurück, um endlose Tage in dem
Haus zu verbringen, das sicherlich einzigartig auf ganz Lamu ist. Oder sind
alle so schön und sinnlich?
Ich wache am Morgen auf und gehe zur Arbeit. Ich denke an Dich. Am
Abend komme ich heim und trinke zuviel. Ich versuche, meine Gefühle zu
betäuben. Ich versuche die Unruhe zu ersticken. Peter kommt und geht und
wartet, daß ich mich erhole, obwohl ich nicht den Mut habe, ihm zu sagen, daß
ich mich nicht mehr erholen werde. Wir haben seit Lamu nicht mehr miteinander
geschlafen, was er auf meine Krankheit zurückführt. Also, jetzt hab ich’s Dir
gesagt. Du brauchst mir von Regina und Dir nichts zu erzählen. Ich will es
nicht wissen. Wenn ihr nicht miteinander geschlafen habt, fühle ich mich
schuldig, und sie tut mir leid. Wenn doch, bin ich mir nicht sicher, ob ich die
Vorstellung ertrage.
Wir beide sind wirklich nicht so verschieden.
Aber unsere Probleme erscheinen unbedeutend angesichts dessen, was
wir jeden Tag zu Gesicht bekommen, nicht wahr? Erst gestern habe ich eine Frau
namens Dymphina kennengelernt; sie ist vierundzwanzig und hat drei Kinder, die
sie bis vor einer Woche ein Jahr lang
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