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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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auf ihn gezeigt, und mit diesem
     Satz wäre es um England geschehen. Er wollte mir schon über die Lippen gehen, als ich im letzten Moment innehielt. Ich sah
     mich von Brida aus scharfsichtigen Augen beobachtet und dachte an Iseult. In einem oder zwei Jahren würde Iseult so ähnlich
     aussehen wie Brida. Die beiden waren gleichermaßen schön, hatten eine ähnlich dunkle Hauttönung und das gleiche Feuer in der
     Seele. Wenn ich den Verrat beginge, würde Iseult sterben, und diesen Gedanken konnte ich nicht ertragen. Ich dachte auch an
     Æthelflaed, Alfreds Tochter, und ich wusste, dass sie versklavt werden würde, und ich wusste auch, dass überall da, wo sich
     ein paar Sachsen an ein Feuer setzten, mein Name verflucht wäre. Ich wäre für alle Zeit Uhtredærwe, der Mann, der ein ganzes
     Volk vernichtet hätte.
    «Was wolltest du gerade sagen?», fragte Brida.
    «Dass es seit Menschengedenken keinen so harten Winter in Wessex gegeben hat.»
    Ich sah ihrem Blick an, dass sie mir nicht glaubte. Dann lächelte sie und sagte auf Englisch: «Verrate mir doch eines, Uhtred.
     Wenn du Ragnar für tot gehalten hast, warum bist du dann hierhergekommen?»
    «Weil ich nicht weiß, wohin ich mich sonst wenden könnte», antwortete ich.
    «Warum ausgerechnet Cippanhamm? Du weißt doch, dass Guthrum hier ist, der deine Beleidigungen bestimmt nicht vergessen hat.»
    |332| Es hatte sich also herumgesprochen. Ich spürte Furcht in mir aufsteigen.
    Brida wechselte wieder ins Dänische. «Guthrum will deinen Tod.»
    «Das meint er nicht ernst», sagte Ragnar.
    «Das meint er ernst», beharrte Brida.
    «Ich werde nicht zulassen, dass er Uhtred tötet», sagte Ragnar. «Jetzt bist du hier, bei uns.» Er schlug mir wieder auf die
     Schulter, schaute sich im Kreis um und warnte seine Männer mit stummen Blicken davor, mich an Guthrum zu verraten. Keiner
     rührte sich, aber die meisten waren längst betrunken, und manche schliefen schon.
    «Jetzt bist du hier», sagte Brida. «Doch vor nicht allzu langer Zeit hast du noch für Alfred gekämpft und Guthrum beleidigt.»
    «Ich war auf dem Weg nach Defnascir», erwiderte ich, als sei damit irgendetwas erklärt.
    «Armer Uhtred», sagte Brida. Sie streichelte mit der Rechten Nihtgengas schwarz-weißes Nackenfell. «Und ich dachte, du würdest
     von den Sachsen als Held gefeiert.»
    «Als Held? Warum?»
    «Als der Mann, der Ubba getötet hat.»
    «Alfred will keine Helden», sagte ich so laut, dass er es hören konnte. «Nur Heilige.»
    «Erzähl uns von Ubba», verlangte Ragnar. Ich musste also meinen Kampf gegen Ubba schildern, und zwar in allen Einzelheiten,
     denn die Dänen lieben solche Geschichten. Ich machte aus Ubba einen großen Helden, dem es fast schon gelungen war, die gesamte
     Streitmacht von Wessex zu zerschlagen, und pries ihn als jemanden, der wie ein Gott gekämpft und mit seiner großen Streitaxt
     unseren Schildwall aufgebrochen habe. Den von den |333| brennenden Schiffen aufsteigenden Rauch, der sich über das Schlachtfeld legte, beschrieb ich als eine Wolke aus der Unterwelt
     und erzählte, dass ich mich unversehens Ubba gegenübergesehen habe, der voller Siegesgewissheit über uns herfiel. Das stimmte
     natürlich nicht. Ich hatte Ubba nicht zufällig gegenübergestanden, sondern den Zweikampf mit ihm gesucht. Doch für eine gute
     Geschichte gehört es sich, dass sie mit Bescheidenheit vorgetragen wird, und meine Zuhörer, denen diese Gepflogenheit vertraut
     war, murmelten Worte der Anerkennung. «Nie zuvor habe ich mich so gefürchtet», sagte ich und erzählte, wie wir gekämpft hatten,
     mein Schlangenhauch gegen Ubbas Axt, und wie er meinen Schild zu Feuerholz zerhackte und wie er schließlich auf den Gedärmen
     eines gefallenen Kämpfers ausrutschte und stürzte. Die Dänen am Feuer seufzten voller Mitgefühl. «Ich durchtrennte die Sehnen
     seines Arms», sagte ich und schlug mit der linken Handkante in die rechte Armbeuge, um zu zeigen, wo es Ubba getroffen hatte.
     «Und dann gab ich ihm den Rest.»
    «Ist er mannhaft gestorben?», fragte einer der Zuhörer besorgt.
    «Als ein wahrer Held», antwortete ich und berichtete, dass ich dem Sterbenden seine Streitaxt in die Hand gelegt hatte, damit
     er in Walhalla einziehen konnte. «Er ist sehr gut gestorben», bemerkte ich zum Schluss.
    «Er war ein Krieger», sagte Ragnar mit schwerer Zunge, betrunken und schläfrig. Das Feuer war heruntergebrannt, und die Schatten
     verdichteten sich. Weitere

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