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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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sie leise.
    «Du bist jetzt in Sicherheit, Schwester.» Er richtete sich auf. «Wir können gehen.»
    Steapa hob die Nonne hoch und trug sie nach draußen. Ihr Name war Hild. Sie klammerte sich an ihm fest und wimmerte, entweder
     wegen der Kälte oder, was wahrscheinlicher war, wegen ihrer Erinnerung an das, was man ihr angetan hatte.
    Wir hätten Cippanhamm in dieser Nacht mit nur hundert Kämpfern einnehmen können. Es war so kalt, dass sich niemand auf der
     Brustwehr zeigte. Die Wächter hatten sich in das Torhaus zurückgezogen und wärmten sich am Feuer. Als wir den schweren Torriegel
     öffneten, wollte einer übellaunig wissen, wer wir seien. «Guthrums Männer», antwortete ich, und niemand kümmerte sich weiter
     um uns. Eine halbe Stunde später waren wir wieder in der Wassermühle, bei Pater Adelbert, Egwine und den drei Soldaten.
    «Wir sollten Gott für unsere Rettung danken», sagte Alfred zu Pater Adelbert, der sich entsetzt über das Blut und die blauen
     Flecken im Gesicht des Königs zeigte. «Sprecht ein Gebet, Pater», verlangte Alfred.
    Adelbert betete, doch ich hörte nicht zu. Ich kauerte am Feuer und fürchtete, dass mir nie wieder warm werden würde. Dann
     schlief ich ein.
    |340| Es schneite den ganzen nächsten Tag über. Wir machten ein Feuer und kümmerten uns nicht um den Rauch, der über der Mühle aufstieg,
     denn es würde sich wohl kein Däne wegen eines fernen grauen Rauchfadens vor einem grauem Himmel durch Eis und Schnee auf den
     Weg machen.
    Alfred brütete vor sich hin. Er sprach nur wenig an diesem Tag, fragte mich aber einmal, ob ich denn wirklich sicher sein
     könne, dass Wulfhere die Seiten gewechselt hatte. «Jedenfalls haben wir ihn nicht mit Guthrum zusammen gesehen», fügte er
     hinzu, voll verzweifelter Hoffnung, von seinem Vetter doch nicht verraten worden zu sein.
    «Die Geiseln leben», sagte ich.
    «Gütiger Himmel!» Er lehnte den Kopf an die Wand und starrte hinaus in das Schneegewirbel vor dem kleinen Fenster. «Er gehört
     doch zur Familie», klagte er und verstummte dann wieder.
    Ich verfütterte das letzte Heu, das wir mitgebracht hatten, an die Pferde und schärfte dann, weil sonst nichts zu tun war,
     meine Schwerter. Hild weinte. Alfred versuchte, sie zu trösten, war aber zu linkisch und fand nicht die richtigen Worte. Seltsamerweise
     war es Steapa, dem es gelang, sie mit seiner leise grollenden Stimme zu beruhigen. Und als Schlangenhauch und Wespenstachel
     geschärft waren und draußen der Schnee auf eine lautlose Welt fiel, fing auch ich an zu grübeln.
    Ich dachte an Ragnar und daran, dass er meinen Treueschwur wollte, daran, dass ich mich ihm verpflichten sollte.
    Die Welt ist aus großer Unordnung entstanden und wird in großer Unordnung enden. Die Götter schufen sie und werden sie in
     ihrem Kampf untereinander auch wieder |341| verwüsten. Doch zwischen der Unordnung ihrer Geburt und der Unordnung ihres Todes herrscht Ordnung in der Welt, gestiftet
     durch Schwüre, die uns binden wie die Schnallen eines Harnischs.
    Bevor ich Alfred Treue schwor, hatte ich mich an Ragnar binden wollen. Doch jetzt empörte es mich fast, von ihm darum gebeten
     worden zu sein. In mir war Stolz gewachsen und hatte mich verändert. Ich war Uhtred von Bebbanburg, Ubbas Bezwinger, und durchaus
     gewillt, mich einem König zu verpflichten, nicht aber einem Ebenbürtigen. Wer Treue schwört, dient dem, der ihm den Schwur
     abnimmt. Ragnar hatte mich als einen Freund bezeichnet und mich wie einen Bruder behandelt, doch sein Verlangen nach meinem
     Treueid machte deutlich, dass er in mir keinen Ebenbürtigen sah. Für einen Dänen waren alle Sachsen Geringere, und darum verlangte
     er nach einem Schwur. Hätte ich ihn geleistet, wäre er großzügig gewesen und hätte dennoch erwartet, dass ich ihm Dankbarkeit
     zollte. Falls ich Bebbanburg jemals zurückerobern sollte, würde ich meinen Besitz nur so lange halten können, wie er es gestattete.
     Über all das hatte ich noch nie länger nachgedacht, doch plötzlich, an diesem kalten Tag, begriff ich, dass ich bei den Dänen
     immer nur so viel wert war wie meine Freunde, und ohne diese Freunde wäre ich nichts weiter als irgendein umherziehender Krieger
     ohne Land. Unter den Sachsen hingegen war ich ein ebenbürtiger Sachse, und unter den Sachsen war ich nicht auf die Großzügigkeit
     anderer angewiesen.
    «Du siehst nachdenklich aus, Uhtred», sagte Alfred und schreckte mich aus meinen Grübeleien auf.
    «Mir ist

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