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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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kämpferisch. Frauen schafften Nahrung und Wasser |375| herbei, und die meisten Leute aus der Stadt entschlossen sich, trotz des Regens in der Festung zu schlafen, weil sie fürchteten,
     dass die Dänen in der Nacht angreifen würden.
    Odda der Ältere weigerte sich, den Schutz der Festung aufzusuchen. Er sei zu krank, sagte er, zu schwach, und wenn es denn
     sein müsse, so wolle er in Haralds Palas sterben. Harald und ich versuchten ihn zu überreden, doch er wollte nicht hören.
     «Mildrith soll gehen», sagte er.
    «Nein», entgegnete sie. Sie saß an Oddas Lager, die Hände unter den Ärmeln ihres grauen Gewandes gefaltet. Mit entschlossenem
     Blick schien sie mich herausfordern zu wollen. Ich sollte es nur wagen, von ihr zu verlangen, Odda im Stich zu lassen und
     auf die Festung zu gehen.
    «Es tut mir leid», sagte ich.
    «Was tut dir leid?»
    «Das mit unserem Sohn.»
    «Du warst ihm kein Vater», sagte sie anklagend. Ihre Augen funkelten. «Du wolltest einen Dänen aus ihm machen, einen Heiden.
     Sein Seelenheil war dir gleichgültig.»
    «Aber ich habe mich um ihn gekümmert», sagte ich, doch nicht einmal mich selbst konnten diese Worte überzeugen.
    «Seine Seele hat jetzt ihren Frieden», sagte Harald sanft. «Gott hat ihn bei sich aufgenommen. Er ist glücklich.»
    Mildrith sah ihn an und schien getröstet. Dennoch begann sie zu weinen und fasste nach dem Holzkreuz auf ihrer Brust. Odda
     der Ältere streckte die Hand aus und tätschelte ihren Arm. «Wenn die Dänen kommen, Herr», sagte ich zu ihm, «werde ich Euch
     Männer zum Schutz schicken.» Dann verließ ich das Krankenzimmer. Ich konnte Mildriths Tränen nicht ertragen und auch nicht |376| den Gedanken an einen toten Sohn. Solche Dinge sind schwierig, viel schwieriger, als Krieg zu führen, und deshalb gürtete
     ich meine Schwerter, setzte meinen prächtigen Helm mit dem Wolfskamm auf und nahm den Schild zur Hand. Als Harald aus der
     Kammer trat, zuckte er zusammen, als er mich wie einen Kriegsherrn in seinem Palas stehen sah. «Wenn wir am östlichen Ausgang
     der Stadt ein großes Feuer machen», sagte ich, «werden wir die Dänen kommen sehen. Dann haben wir genug Zeit, den alten Odda
     in die Festung zu schaffen.»
    «Ja.» Er blickte auf zu den schweren Deckenbalken und dachte vielleicht, dass er sie zum letzten Mal sah, denn die Dänen würden
     kommen und das Haus niederbrennen. Er bekreuzigte sich.
    «Das Schicksal ist unausweichlich», bemerkte ich. Was hätte ich sonst sagen sollen? Die Dänen könnten kommen und das Haus
     könnte verbrennen, aber das war unbedeutend, verglichen mit dem, was dem Königreich drohte, und so veranlasste ich, dass ein
     großes Feuer die Straße im Osten beleuchtete. Aber die Dänen kamen in dieser Nacht nicht. Unaufhörlich fiel ein feiner, kalter
     Regen, und am Morgen waren die Leute in der Festung durchnässt, verfroren und schlecht gelaunt. In der Dämmerung trafen die
     ersten Männer des Fyrds ein. Bis auch in den entferntesten Orten der Befehl einging, sich bewaffnet auf den Weg nach Ocmundtun
     zu machen, mochten Tage vergehen, aber die Thegn aus der näheren Umgebung waren dem Aufruf schon gefolgt, und gegen Mittag
     hatten sich an die dreihundert Männer unterhalb der Festung eingefunden. Von ihnen waren allenfalls siebzig als Kämpfer mit
     tauglichen Waffen, Schilden und wenigstens einem Lederharnisch zu bezeichnen. Alle anderen waren einfache Bauern oder Knechte,
     mit Sicheln, Hacken oder Äxten.
    |377| Harald schickte Versorgungstrupps los, um Getreidevorräte anzulegen. Kampfkräfte zu sammeln war die eine Sache, sie zu ernähren,
     eine ganz andere, und niemand wusste, wie lange wir das Heer brauchten. Falls die Dänen nicht von sich aus kämen, würden wir
     sie aus Cridianton heraustreiben müssen, und dazu bedurfte es des gesamten Fyrds von Defnascir. Das aber, so war zu befürchten,
     würde Odda der Jüngere zu verhindern suchen.
    Und so war es auch. Als der Regen endlich aufhörte und die Mittagsgebete gesprochen wurden, tauchte der junge Odda selbst
     in Ocmundtun auf, begleitet von sechzig Kriegern in Kettenhemden und einer ebenso großen Anzahl Dänen in voller Kampfausrüstung.
     Als der Tross aus dem Wald im Osten ritt, kam das Sonnenlicht zwischen den Wolken hervor und brach sich blitzend in Kettenhemden,
     Speerspitzen, Zaumzeug, Steigbügeln, polierten Helmen und Schildbuckeln. Sie schwärmten auf die Felder zu beiden Seiten der
     Straße aus und ritten in einer

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