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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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aufzustellen?»
    «Nein.» Harald schwieg und starrte auf die vom Mond beschienene Straße. «Wir haben von Alfred nichts gehört, außer dass er
     sich nach einer Niederlage versteckt hält. Und wir haben gehört, dass sich die Dänen über ganz Wessex ausgebreitet haben und
     Verstärkung aus Mercien erwarten.»
    «Hat Odda nicht versucht, Sveins Vormarsch aufzuhalten?»
    «Er hielt es für besser, sich in Sicherheit zu bringen», antwortete Harald. «Mich schickte er an den Tamur.»
    Der Tamur war der Grenzfluss zwischen Wessex und Cornwalum. «Verhalten sich die Britonen ruhig?», fragte ich.
    «Ihre Priester raten ihnen, uns nicht anzugreifen.»
    «Ganz gleich, wozu ihnen die Priester raten», erwiderte ich. «Sie werden den Fluss überqueren, falls abzusehen ist, dass die
     Dänen siegen.»
    «Haben sie denn nicht schon gesiegt?», fragte Harald bitter.
    «Noch sind wir freie Männer», sagte ich.
    Er nickte. In der Stadt hinter uns war das Geheul eines Hundes zu hören. Harald drehte sich um, als erwarte er ein |370| Unheil, doch plötzlich riss das Geheul mit einem kurzen Kläffen ab. «Svein ängstigt mich», gab Harald plötzlich zu und trat
     gegen einen Stein auf der Straße.
    «Er ist auch ein furchterregender Mann», pflichtete ich ihm bei.
    «Und gerissen», sagte Harald. «Gerissen, stark und grausam.»
    «Eben ein Däne», bemerkte ich trocken.
    «Und er verfolgt unbarmherzig sein Ziel», fuhr Harald fort.
    «So ist es», sagte ich, «und Ihr glaubt, er ließe Euch einfach in Frieden, nachdem Ihr ihn mit Vorräten, Pferden und einem
     Dach überm Kopf versorgt habt?»
    «Nein», antwortete er, «aber Odda glaubt es.»
    Dann war Odda ein Narr. Er säugte ein Wolfsjunges, das ihn, sobald es stark genug wäre, zerfleischen würde. «Was glaubt Ihr,
     warum Svein nicht nach Norden gezogen ist, um sich mit Guthrum zusammenzutun?»
    «Ich weiß nicht.»
    Aber ich wusste es. Guthrum war nun schon seit zwei Jahren in England. Er hatte schon einmal versucht, Wessex einzunehmen,
     war aber gescheitert. Jetzt, da er so kurz vor seinem Ziel stand, zögerte er. Guthrum trug den Beinamen «der Unglückliche»,
     und das zu Recht. Er führte viele Männer an, besaß Macht, aber er war auch vorsichtig. Svein dagegen, der aus einer irischen
     Siedlung von Nordmännern stammte, war aus anderem Holz geschnitzt. Er war jünger als Guthrum, nicht so vermögend wie Guthrum
     und hatte weniger Männer, und dennoch war er zweifellos der bessere Krieger. Seiner Schiffe beraubt und dadurch geschwächt,
     hatte er Odda den Jüngeren überreden können, ihm Zuflucht zu gewähren. Nun baute er seine Kräfte wieder auf, um Guthrum später
     nicht als geschlagener und |371| hilfebedürftiger Heerführer gegenüberzutreten, sondern als ebenbürtiger Kämpfer. Svein, dachte ich, war weitaus gefährlicher
     als Guthrum, und Odda der Jüngere sorgte nur dafür, dass er noch gefährlicher wurde.
    «Morgen», sagte ich, «beginnen wir, den Fyrd zusammenzustellen. Das ist ein Befehl des Königs.»
    Harald nickte. In der Dunkelheit konnte ich nicht in seiner Miene lesen, spürte aber, dass ihn meine Worte nicht glücklich
     stimmten. Immerhin war er vernünftig genug einzusehen, dass Svein aus der Grafschaft vertrieben werden musste. «Ich werde
     die Botschaften losschicken», sagte er. «Es könnte jedoch sein, dass Odda die Aufstellung des Fyrds behindern wird. Er hat
     einen Frieden mit Svein geschlossen und wird nicht wollen, dass ich ihn breche. Das Volk wird im Zweifelsfall nicht mir, sondern
     ihm gehorchen.»
    «Und was ist mit seinem Vater?», fragte ich. «Werden die Leute ihm gehorchen?»
    «Sie gehorchen ihm», antwortete Harald, «aber er ist ein kranker Mann. Ihr habt ihn gesehen. Ein Wunder, dass er überhaupt
     noch lebt.»
    «Vielleicht weil sich meine Frau um ihn kümmert.»
    «Mag sein.» Harald schien sich zu winden und verriet ein Unbehagen, das ich nicht zu deuten vermochte. «Eure Frau kümmert
     sich gut um ihn», sagte er schließlich linkisch.
    «Er ist ihr Taufpate.»
    «Ich weiß.»
    «Es ist schön, sie wiederzusehen», sagte ich heuchlerisch, weil mir eine solche Bemerkung angebracht erschien und mir nichts
     Besseres einfiel. «Und es wird schön, meinen Sohn wiederzusehen», fügte ich etwas warmherziger hinzu.
    |372| «Euer Sohn», sagte Harald ausdruckslos.
    «Er ist doch hier, oder?»
    «Ja.» Er wandte sich ab und starrte ins Dunkel. Ich dachte schon, er würde nichts mehr sagen, doch dann raffte er

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