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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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all seinen
     Mut zusammen und sah mich wieder an. «Euer Sohn, Graf Uhtred, ist auf dem Kirchhof.»
    Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, was seine Worte bedeuteten, und dann verstand ich sie wieder nicht und war verwirrt.
     Ich betastete mein Hammeramulett. «Auf dem Kirchhof?»
    «Es ist nicht an mir, es Euch zu erzählen.»
    «Aber Ihr werdet es dennoch tun», sagte ich in einem Tonfall, der an Steapas Knurren erinnerte.
    Harald starrte auf den mondbeschienenen Fluss, der unter den schwarzen Bäumen silbrig schimmerte. «Euer Sohn ist gestorben»,
     sagte er. Er wartete auf eine Entgegnung, aber ich rührte mich weder, noch sagte ich etwas. «Er ist erstickt.»
    «Erstickt?»
    «An einem Kieselstein», antwortete Harald. «Er war ja noch so klein. Er muss den Stein vom Boden aufgehoben und in den Mund
     gesteckt haben.»
    «Einen Kieselstein?», fragte ich.
    «Eine Frau war bei ihm, aber   …» Harald seufzte und sprach sehr leise weiter. «Sie hat ihn zu retten versucht, konnte aber nichts tun. Er starb.»
    «Am Tag des heiligen Vincent», sagte ich.
    «Also wusstet Ihr es?»
    «Nein», antwortete ich. «Ich wusste es nicht.» Am Tag des heiligen Vincent hatte Iseult Alfreds Sohn Edward durch das Loch
     in der Erde gezogen und mir erklärt, dass irgendwo ein Kind sterben müsse, damit der Erbe des Königs, der Ætheling, leben
     könne.
    |373| Und dieses Kind war mein Kind gewesen. Uhtred der Jüngere. Mein Sohn, den ich kaum gekannt hatte. Edward hatte wieder Atem
     schöpfen können, während Uhtred würgte, kämpfte und starb.
    «Es tut mir leid», sagte Harald. «Es war nicht an mir, Euch das zu sagen, aber Ihr musstet es wissen, ehe Ihr Mildrith wiederseht.»
    «Sie hasst mich», sagte ich rau.
    «Ja», sagte er «das tut sie.» Er schwieg einen Moment. «Ich dachte, sie würde über ihrer Trauer den Verstand verlieren, aber
     Gott hat sie verschont. Jetzt möchte sie   …»
    «Was?»
    «Dem Orden der Schwestern von Cridianton beitreten. Wenn die Dänen abgezogen sind. Es gibt dort ein kleines Kloster.»
    Es war mir gleich, was Mildrith tat. «Und mein Sohn ist hier begraben?»
    «Unter der Eibe», er drehte sich um und zeigte in die Richtung, «neben der Kirche.»
    Mag er dort ruhen, dachte ich. Mag er in seinem kleinen Grab die Unordnung am Weltende erwarten.
    «Morgen», sagte ich, «werden wir den Fyrd zusammenrufen.»
    Denn es galt, ein Königreich zu retten.
     
    Harald rief die Priester in seinen Palas, um von ihnen die Aufrufe für den Fyrd schreiben zu lassen. Die meisten Thegn konnten
     nicht lesen, und es fiel auch vielen ihrer Priester schwer, die wenigen Worte zu entziffern, doch die Boten würden ihnen sagen,
     was in den Pergamenten stand. Die Empfänger sollten ihre Männer bewaffnen und nach Ocmundtun führen. Zum Zeichen der Bevollmächtigung
     für diesen Befehl wurde jeder Brief mit einem |374| wächsernen Siegel versehen. In das Siegelwachs war ein Hirsch, das Zeichen Oddas des Älteren, eingedrückt. «Es wird mindestens
     eine Woche dauern, ehe der Großteil des Fyrds hier eingetroffen ist», sagte Harald. «Und der Aldermann wird alles unternehmen,
     damit es erst gar nicht dazu kommt.»
    «Was wird er tun?»
    «Er wird den Thegn sagen, dass sie den Befehl nicht beachten sollen.»
    «Und Svein? Was wird er tun?»
    «Versuchen, uns zu töten.»
    «Und er hat achthundert Männer, die schon morgen hier sein könnten», sagte ich.
    «Und ich habe dreißig», murmelte Harald düster.
    «Aber wir haben eine Festung», erwiderte ich und zeigte auf den von Palisaden umringten Kalksteinhügel.
    Ich zweifelte keinen Augenblick daran, dass die Dänen kommen würden. Mit der Einberufung des Fyrds hatten wir ihre Sicherheit
     bedroht, und Svein war kein Mann, der eine solche Bedrohung leichthin abtat. Als die Boten in alle Himmelsrichtungen aufgebrochen
     waren, forderten wir deshalb das Stadtvolk auf, alle Wertgegenstände in die Festung am Fluss zu bringen. Ein Teil der Männer
     erhielt den Auftrag, den Palisadenwall zu verstärken, andere trieben derweil das Vieh aufs Hochmoor, damit die Dänen es nicht
     rauben konnten. Steapa suchte die nahegelegenen Siedlungen auf und befahl den Männern im kampffähigen Alter, sich so gut es
     ging zu bewaffnen und nach Ocmundtun zu kommen. Am Nachmittag war die Festung mit über achtzig Männern besetzt. Nur wenige
     von ihnen waren Krieger, und die meisten allenfalls mit einer Axt bewaffnet, doch vom Fuße des Hügels aus wirkten sie doch
     sehr

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