Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
über den Feind. Darum ritten wir, Pyrlig und ich, an der Wilig entlang nordostwärts, bis wir an die |430| Mündung eines kleinen Flusses gelangten, dem wir weiter folgten. Wir kamen an einer größeren Siedlung vorbei, die in Schutt
     und Asche gelegt worden war, und durchquerten fruchtbares Weideland, doch Vieh stand keines darauf, die Äcker waren ungepflügt
     und voller Unkraut. Wir waren inzwischen weit nördlich von unserem Lager und kamen nur noch langsam voran, denn die Pferde
     waren müde. Die Sonne stand tief im Westen. Ein langer Maientag neigte sich dem Ende zu. Forellen schnappten nach Mücken,
     die über dem Fluss tanzten, und plötzlich war ein Scharren zu hören, das uns innehalten ließ. Doch zwischen den Wurzeln einer
     Weide tauchten nur zwei Otternjunge auf, die ins Wasser schlüpften. Im Schlehdorn nisteten Tauben, am Ufer zilpte ein Schilfrohrsänger,
     und irgendwo klopfte hin und wieder ein Specht. Wir ritten schweigend weiter, schwenkten vom Fluss ab und durchstreiften eine
     Apfelwiese, wo zwischen rötlich weißen Blüten Wendehälse sangen.
    Pyrlig lenkte sein Pferd unter die Bäume und machte mich auf eine schlammige Stelle im Gras aufmerksam. Da waren Hufspuren,
     frisch und zahlreich. «Die Schweine waren hier, was?», sagte er. «Und das ist noch nicht lange her.»
    Ich beobachtete das Tal. Die steilen Hänge zu beiden Seiten waren bis zur halben Höhe dicht bewaldet. Ich hatte plötzlich
     das unbehagliche Gefühl, belauert zu werden, als ob wir ahnungslos umherstolperten und die Wölfe nahe wären. «Wenn ich ein
     Däne wäre», flüsterte Pyrlig, und ich glaube, er teilte mein Unbehagen, «würde ich mich dahinten verstecken.» Er deutete mit
     einer Kopfbewegung auf die Bäume im Westen.
    «Warum?»
    «Als Ihr sie entdeckt habt, hatten sie uns längst gesehen, |431| und zwar von dort aus.» Er grinste schief. «Ich weiß es auch nicht, Uhtred, ich glaube einfach, die Bastarde verstecken sich
     dahinten.»
    Also ritten wir nach Osten. Wir ritten gemächlich, als hätten wir keine Sorgen auf der Welt, doch als wir den Wald erreicht
     hatten, bogen wir nach Norden ab und suchten nach weiteren Spuren von Reitern. Doch wir fanden keine. Das Gefühl, beobachtet
     zu werden, war verschwunden, dennoch ließen wir uns viel Zeit, um festzustellen, ob uns jemand folgte. Zu hören war nur der
     Wind im Gezweig. Doch wie ein Hund, dem sich die Nackenhaare sträuben, der seine Zähne fletscht und zu zittern anfängt, wenn
     Wölfe durch die Dunkelheit schleichen, so spürte ich, dass Dänen in der Nähe waren.
    Als sich vor uns die Bäume lichteten, stiegen wir aus den Sätteln, traten an den Waldrand und sahen uns um.
    Endlich hatten wir sie entdeckt.
    Auf dem gegenüberliegenden Hang ritten dreißig bis vierzig Dänen in langer Reihe talwärts. Sie befanden sich noch oberhalb
     des Waldes und hatten offenbar, von Süden kommend, die Hügelkuppe überquert. «Ein Spähtrupp», sagte Pyrlig.
    «Von der Kuppe aus können sie nicht viel gesehen haben.»
    «Sie haben uns gesehen.»
    «Wahrscheinlich.»
    «Und warum haben sie uns nicht angegriffen?», rätselte er.
    «Schaut mich an», sagte ich.
    «Euch seh ich doch jeden Tag.»
    «Sie halten mich für einen Dänen.» Ich trug weder Kettenhemd noch Helm. Meine blonden Haare fielen bis auf das Lederwams herab,
     und an meinen Armen schimmerten |432| die Reifen. «Euch halten sie wahrscheinlich für meinen Tanzbären.»
    Er lachte. «Folgen wir ihnen?»
    Das Tal zu durchqueren war gefährlich, doch ich verließ mich darauf, dass sie mich weiter für einen Dänen hielten, und so
     ritten wir durch den offenen Talgrund und dann in den angrenzenden Wald. Wir hörten die Dänen, noch ehe sie uns zu Gesicht
     kamen. Sie unterhielten sich sorglos, lachten und dachten nicht einmal daran, dass Sachsen in der Nähe sein könnten. Pyrlig
     steckte sein Kruzifix unter seinen ledernen Harnisch. Wir warteten, bis der letzte Däne vorübergezogen war, trieben dann unsere
     Pferde an und folgten den Spuren. Die Schatten wurden länger. Wahrscheinlich stand das dänische Heer ganz in der Nähe, denn
     es war anzunehmen, dass der Spähtrupp noch vor Anbruch der Dunkelheit ins Lager zurückgekehrt sein wollte. Als wir dann aber
     flacheres Gelände erreichten, zeigte sich, dass die Kundschafter ihr eigenes Lager hatten. Fast wären wir von einem weiteren
     Trupp, der von Osten kam, überrascht worden. Doch wir hörten sie rechtzeitig, wichen in ein Dickicht aus

Weitere Kostenlose Bücher