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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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und sahen ein Dutzend
     Reiter vorüberziehen. Zu Fuß schlichen wir durchs Unterholz an eine Stelle, von der wir das Lager überblicken konnten.
    Auf einer kleinen Lichtung lagerten etwa hundertfünfzig Dänen. Scheinbar wollten sie hier übernachten, denn erste Feuer flackerten
     auf. «Lauter Spähtrupps», vermutete Pyrlig.
    «Reichlich unbekümmert, die Hunde», sagte ich. Diese Männer waren vorausgeschickt worden, um die Hügel auszukundschaften,
     und fühlten sich sicher genug, um weit entfernt von ihrer Hauptstreitmacht ein Lager aufzuschlagen. Und dazu hatten sie auch
     allen Grund, denn das westsächsische Heer lag tief im Süden, und wir hatten |433| auch keine kleineren Verbände in der Nähe. Sie würden also eine ruhige Nacht verbringen und am Morgen ausgeruht wieder losziehen,
     um Alfreds Truppenbewegungen zu beobachten.
    «Aber wenn sie hier sind», überlegte Pyrlig, «wird Guthrum auf gleicher Strecke folgen.»
    «Kann sein.» Es konnte aber auch sein, dass Guthrum eine östliche oder westliche Richtung eingeschlagen und diese Reiter losgeschickt
     hatte, um sich zu versichern, dass Alfred über seine Pläne im Ungewissen war.
    «Wir sollten umkehren», sagte Pyrlig. «Es wird bald dunkel.»
    Aber ich hatte Stimmen gehört und hob warnend die Hand. Angestrengt lauschte ich dem Klang der Stimmen nach und fand meinen
     ersten Eindruck bestätigt. Es war Englisch. «Es sind Sachsen hier», sagte ich.
    «Wulfheres Männer?»
    Das ergab Sinn. Wir waren in Wiltunscir, also in eben jener Gegend, in der sich Wulfheres Männer bestens auskannten. Und wer
     wäre besser geeignet als sie, um dänische Spähtrupps zu führen, die Alfred beobachten wollten?
    Versteckt hinter Hagedornbüschen sahen wir etwa zehn Sachsen in den Wald gehen. Wenig später war das Geräusch hackender Äxte
     zu hören. Sie besorgten Brennholz. Die meisten Männer Wulfheres würden wahrscheinlich nicht gern gegen Alfred kämpfen, doch
     einige hatten sich der neuen Sache ihres Aldermannes sicher willig angeschlossen, und es waren zweifellos diese Männer, die
     nun die dänischen Spähtrupps führten. Wulfhere hatte gewiss nur solche Männer geschickt, denen er vertrauen konnte, denn er
     musste fürchten, dass weniger treue Männer zu Alfred überlaufen oder sich einfach davonmachen würden. Diese Sachsen hier im
     Wald gehörten also wahrscheinlich |434| zu Wulfheres Haustruppe, sie hätten am meisten zu gewinnen, wenn sie im Krieg zwischen Dänen und Westsachsen auf der Seite
     des Siegers standen.
    «Wir sollten zurück, bevor es dunkel ist», flüsterte Pyrlig.
    Da ertönte ganz in der Nähe eine trotzige Stimme. «Morgen gehe ich.»
    «Das werdet Ihr nicht, Herr», antwortete jemand. Es plätscherte, und ich begriff, dass sich der eine zum Pinkeln in die Büsche
     geschlagen hatte und der andere ihm gefolgt war. «Ihr werdet morgen nirgendwo hingehen», fuhr der zweite Mann fort, «sondern
     hier bleiben.»
    «Ich will sie doch nur sehen», bettelte der andere.
    «Ihr seht sie noch früh genug. Aber nicht morgen. Ihr bleibt hier bei den Wachen.»
    «Dazu könnt Ihr mich nicht zwingen.»
    «Und ob ich das kann, Herr. Auch wenn Ihr hier den Befehl habt, so werdet Ihr doch meinen Anweisungen folgen.» Die Stimme
     des Mannes war hart und tief. «Und ich sage Euch, dass Ihr hier zu bleiben habt.»
    «Und wenn ich will, gehe ich doch», beharrte die erste Stimme schwächlich, fand aber kein Gehör.
    Langsam und lautlos zog ich Schlangenhauch aus der Scheide. Pyrlig sah mich fragend an. «Zieht Euch ein Stück zurück und macht
     ein paar Geräusche», flüsterte ich ihm zu. Er runzelte die Stirn, doch ich drängte ihn mit einer entschiedenen Kopfbewegung.
     Er vertraute mir, erhob sich vorsichtig und ging, leise vor sich hin pfeifend, auf unsere Pferde zu. Die beiden Männer folgten
     ihm sofort, der mit der tiefen Stimme vorneweg. Es war ein alter Krieger, stämmig und mit vernarbtem Gesicht. «Du da», rief
     er, «bleib stehen!» In diesem Moment trat ich hinter dem Hagedorn hervor, holte mit dem Schwert aus und |435| hieb es ihm so tief in die Kehle, dass ich spürte, wie die Klinge die Halsknochen traf und das Blut jäh und hell in der Frühlingsdämmerung
     auf das modernde Laub spritzte. Der zweite Mann, der mit der trotzigen Stimme, war vor Schreck wie erstarrt, also packte ich
     ihn am Arm und zerrte ihn ins Dickicht.
    «Ihr könnt doch nicht», begann er, und ich legte ihm die blutige Klinge von Schlangenhauch flach auf

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