Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
den Mund, sodass er vor
     Entsetzen wimmerte.
    «Ein Laut», sagte ich, «und du bist tot.» Pyrlig kam mit gezogenem Schwert zurück.
    Er musterte den Toten, der mit geöffnetem Hosenschurz auf der Erde lag, kniete nieder und machte das Kreuzzeichen auf seiner
     Stirn. Der Mann hatte einen so schnellen Tod gehabt und die Gefangennahme seines Gefährten war so geräuschlos erfolgt, dass
     die Holzfäller nichts davon bemerkt hatten. Die Axtschläge hallten durch den Wald. «Den hier bringen wir Alfred», sagte ich
     zu Pyrlig. Dann ließ ich die Klinge zur Kehle des Gefangenen wandern. «Wenn du auch nur ein einziges Geräusch machst», sagte
     ich und presste ihm die Klinge ein bisschen stärker auf den Hals, «dann schlitz ich dich von deiner Säuferkehle bis zu deinem
     Hurenschwanz auf. Verstanden?»
    Er nickte.
    «Ich habe nämlich vor, dir den Gefallen zurückzuzahlen, den ich dir schulde», erklärte ich und lächelte freundlich.
    Denn der Gefangene war Æthelwold, Alfreds Neffe und verhinderter König der Westsachsen.
     
    Der Mann, den ich getötet hatte, hieß Osbergh und war der Anführer von Wulfheres Leibgarde gewesen. Er hatte dafür zu sorgen
     gehabt, dass es keine Problem mit Æthelwold gab.
    |436| Æthelwold hatte eine besondere Begabung für Missgeschicke. Dem Recht nach stand ihm die Krone zu, doch ich wage zu behaupten,
     dass er der letzte König von Wessex gewesen wäre, denn er zeichnete sich durch Torheit und Leichtsinn aus. In Bier und Frauen
     suchte er Trost, weil er den Thron an seinen Onkel Alfred verloren hatte. Immer hatte er davon geträumt, Krieger zu sein.
     Doch diese Gelegenheit hatte ihm Alfred versagt, denn er wollte verhindern, dass sich sein Neffe womöglich auf dem Schlachtfeld
     einen Namen machte. Æthelwold, der rechtmäßige König, wurde in seiner Torheit gefördert, damit ihn niemand als Anwärter auf
     Alfreds Thron ernst nehmen konnte. Es wäre viel einfacher gewesen, Æthelwold töten zu lassen, doch Alfred war sehr gefühlsduselig,
     wenn es um die Familie ging. Vielleicht lag es auch an seinem Gewissen als Christ. Aus welchen Gründen auch immer, Æthelwold
     war verschont geblieben und hatte sich die Milde des Onkels damit verdient, dass er unablässig einen Narren aus sich machte.
    Doch in den vergangenen Monaten war er die strengen Zügel seines Onkels losgeworden, und so hatte sich sein unterdrückter
     Ehrgeiz neu entfalten können. Er trug Kettenhemd und Schwerter. Er fiel sofort auf, war gutaussehend und groß und sah aus
     wie ein Krieger, wenn er auch keine Kriegerseele hatte. Als ich ihm die Klinge an den Hals legte, hatte er sich vor Angst
     bepisst, und dass ich ihn nun gefangen nahm, ließ er wehrlos mit sich geschehen. Er war unterwürfig, eingeschüchtert und froh
     darüber, dass ihm jemand sagte, was er zu tun hatte.
    Er berichtete uns, wie er Wulfhere bedrängt hatte, kämpfen zu dürfen, und als Osbergh mit zwei Dutzend Männern aufgebrochen
     war, um die Dänen durch das Hügelland zu führen, wurde Æthelwold dem Anschein nach |437| der Befehl übertragen. «Wulfhere hat mich zum Anführer gemacht», murrte Æthelwold, «aber ich musste trotzdem Osbergh gehorchen.»
    «Wulfhere ist ein verdammter Narr, dass er dich außer Reichweite gelassen hat», sagte ich.
    «Ich glaube, er war meiner überdrüssig», gestand Æthelwold.
    «Überdrüssig? Hast du seine Frauen gevögelt?»
    «Es war nur eine Magd! Ich wollte unbedingt die Kundschafter begleiten, und Wulfhere meinte, dass ich von Osbergh eine Menge
     würde lernen können.»
    «Jetzt hast du gelernt, wie gefährlich es ist, in einen Busch Hagedorn zu pissen», sagte ich, «und das lohnt sich bestimmt
     zu wissen.»
    Æthelwold saß, an den Händen gefesselt, auf Pyrligs Pferd, das der walisische Priester am Zügel führte. Die Sonne war untergegangen,
     doch im Licht des Abendhimmels fanden wir den Weg zurück. Ich erklärte Pyrlig, wer Æthelwold war. «Dann seid Ihr also ein
     Prinz von Wessex, was?», sagte er grinsend.
    «Ich sollte hier König sein», murrte Æthelwold.
    «Nein, das solltest du nicht», sagte ich.
    «Mein Vater war König! Und Guthrum hat mir die Krone versprochen.»
    «Und wenn du ihm glaubst, bist du ein verdammter Narr. Du wärst König, solange er dich braucht, und dann wärst du tot.»
    «Und jetzt wird mich Alfred umbringen», jammerte er.
    «Das sollte er wirklich», sagte ich, «aber ich schulde dir ja einen Gefallen.»
    «Wirst du ihn davon überzeugen können,

Weitere Kostenlose Bücher