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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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mich am Leben zu lassen?», fragte er eifrig.
    «Du wirst ihn selbst überzeugen», antwortete ich. «Du |438| wirst vor ihm niederknien und behaupten, dass du nur darauf gewartet hast, den Dänen zu entfliehen, und dass es dir dann endlich
     gelungen ist und der Himmel wollte, dass du uns triffst und du ihm jetzt dein Schwert anbietest.»
    Æthelwold starrte mich an.
    «Ich schulde dir einen Gefallen», erklärte ich, «also schenke ich dir dein Leben. Ich binde deine Hände los, du gehst zu Alfred
     und sagst ihm, dass du schon seit Weihnachten nur noch daran gedacht hast, wie du dich in seinen Dienst stellen kannst. Hast
     du das verstanden?»
    Æthelwold kniff die Brauen zusammen. «Aber er hasst mich doch!»
    «So ist es», bestätigte ich, «aber wenn du vor ihm niederkniest und Treue schwörst, wird er dich umarmen, dich belohnen und
     stolz auf dich sein. Etwas anderes bleibt ihm gar nicht übrig.»
    «Wirklich?»
    «Solange Ihr ihm verratet, wo die Dänen sind», warf Pyrlig ein.
    «Das weiß ich», sagte Æthelwold. «Sie sind heute Morgen aus Cippanhamm aufgebrochen und ziehen Richtung Süden.»
    «Wie viele?»
    «Fünftausend.»
    «Sie kommen hierher?»
    «Sie gehen dorthin, wo Alfred ist, und sind überzeugt davon, dass sie ihn schlagen können. Danach, so glauben sie, bricht
     für sie ein Sommer voller Frauen und Silber an.» Die letzten Worte klangen wehmütig. Er hatte sich offenbar darauf gefreut,
     plündernd durch Wessex ziehen zu können. «Wie viele Kämpfer hat Alfred?», fragte er.
    «Dreitausend», antwortete ich.
    «Herr im Himmel!», rief er aus.
    |439| «Du wolltest doch immer ein Krieger sein», sagte ich. «Jetzt kannst du dir in einer kleinen Armee einen großen Namen machen.»
    «Jesus Christus!»
    Eine mondlose Nacht war hereingebrochen, doch dem Flusslauf folgend, konnten wir uns nicht verirren. Nach einer Weile sahen
     wir einen Feuerschein am Horizont, der uns den Weg in Alfreds Lager wies. Ich drehte mich im Sattel um und glaubte im Norden
     einen ähnlichen Schein ausmachen zu können, da, wo Guthrums Armee lagern musste.
    «Was könnte mich daran hindern, zu den Dänen zurückzukehren, wenn du mich losbindest?», fragte Æthelwold mürrisch.
    «Nichts», antwortete ich, «außer der Gewissheit, dass ich dich jagen und töten würde.»
    Er dachte über meine Worte nach. «Bist du sicher, dass mich mein Onkel willkommen heißen wird?»
    Pyrlig antwortete für mich. «Es wird sein wie die Rückkehr des verlorenen Sohns, Kälber werden geschlachtet und Psalmen gesungen.
     Sagt ihm einfach, was Ihr uns über Guthrum gesagt habt.»
    Wir erreichten die Wilig und kamen jetzt, vom Licht der Lagerfeuer geleitet, schnell voran. Am Rand des Lagers angelangt,
     durchschnitt ich Æthelwolds Fessel und gab ihm seine Schwerter zurück. Er war wie ich mit zweien bewaffnet, einem langen Schwert
     und einer Saxe. «So, mein Prinz», sagte ich, «jetzt heißt es auf dem Bauch rutschen, was?»
    Wir fanden Alfred in der Mitte des Lagers. Er musste auf jeglichen Prunk verzichten, weil uns die Zugtiere für Fuhrwerke fehlten,
     mit denen Zelte und Möbel hätten befördert werden können, also saß Alfred zwischen zwei |440| Feuern auf einem ausgebreiteten Mantel. Er wirkte niedergeschlagen. Er hatte, wie ich später erfuhr, das Heer antreten lassen
     und eine Rede gehalten, die, wie selbst Beocca einräumte, keinerlei Erfolg hatte. «Es war mehr eine Predigt als eine Kampfrede»,
     sagte Beocca. Alfred hatte Gott angerufen, über die Vorstellungen des heiligen Augustinus von einem gerechten Krieg gesprochen
     und auf Boethius und König David verwiesen. Seine Worte hatten die müden, hungrigen Soldaten nicht im mindesten berührt. Jetzt
     saß Alfred in der Runde seiner Heerführer. Sie aßen steinhartes Brot und geräucherten Aal. Pater Adelbert, der uns nach Cippanhamm
     begleitet hatte, spielte auf einer kleinen Harfe ein Klagelied, was keine gute Wahl war, wie ich fand. Als Alfred mich erblickte,
     hob er die Hand, um Adelberts Spiel zu unterbrechen. «Hast du Neuigkeiten?», fragte er.
    Statt einer Antwort trat ich zur Seite und ließ Æthelwold vortreten. «Herr», sagte ich, «ich bringe Euch Euren Neffen zurück.»
    Alfred sprang auf, sichtlich um Fassung bemüht, denn Æthelwold stand nicht als Gefangener vor ihm, sondern mit Schwertern
     bewaffnet. Und er sah prächtig aus, sehr viel königlicher als Alfred, von dem man aufgrund seiner schwächlichen Statur und
     dem hageren Gesicht kaum

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