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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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erinnerte uns daran, dass Guthrum ähnliche Pläne
     verfolgen könnte und er nach einem Kampfplatz Ausschau hielt, an dem er schwer anzugreifen wäre. Dann stünde Alfred vor einer
     schweren Wahl. Ein Angriff würde zu einer schnellen Niederlage führen, und ein Rückzug würde uns ebenso zum Verhängnis werden.
     Unsere Vorräte wären in spätestens zwei Tagen aufgebraucht. Wenn wir uns nach Süden zurückzögen, würde Guthrum seine Reiter
     auf uns hetzen. Und selbst wenn unserem Heer der Rückzug gelänge, wäre es ein geschlagenes Heer. Alfred hatte den Fyrd zusammengerufen,
     wenn er ihn nun vom Feind wegführte, würden unsere Männer das als Niederlage werten und sich davonmachen, um ihre Häuser zu
     schützen. Wir mussten kämpfen, denn der Schlacht auszuweichen käme einer Niederlage gleich.
    Wir lagerten nördlich des Waldgebietes, in dem ich Æthelwold gefunden hatte. Er gehörte jetzt zum Gefolge des Königs und begleitete
     Alfred und die obersten Kriegsherren auf eine Anhöhe, von der sie auf das näher rückende Feindesheer hinabblicken konnten.
     Alfred betrachtete es lange. «Wie weit sind sie noch entfernt?», fragte er.
    «Von hier aus vier Meilen», antwortete Osric. «Bis zu unserem Lager mögen es sechs sein.»
    «Morgen also», sagte Alfred und bekreuzigte sich. Die von Norden heraufziehenden Wolken breiteten sich weiter aus und verdunkelten
     den Abendhimmel. Aber noch |447| blitzten die schräg einfallenden Sonnenstrahlen von den Speerspitzen und Äxten der Feinde bei der alten Festung. Offenbar
     hatte Guthrum diesen wehrhaften Hügel doch in seine Pläne einbezogen.
    Wir stiegen in unser Lager ab, und es kamen immer noch Männer, es waren nicht viele, nur kleine Gruppen, unter anderem eine
     Reiterschar von sechzehn Männern, die mit Kettenhemden und guten Helmen gewappnet waren.
    Sie waren aus Mercien gekommen und hatten, um den Dänen auszuweichen, einen weiten Bogen über den Fluss Thames und durch Wessex
     geschlagen, um Alfred zu unterstützen. Ihr Anführer war ein kleiner, gedrungener junger Mann mit rundem Gesicht und kampfeslustiger
     Miene. Er kniete vor Alfred nieder und warf mir grinsend einen Blick zu. Erst jetzt erkannte ich in ihm meinen Vetter Æthelred.
    Meine Mutter, die ich nie kennengelernt hatte, stammte aus Mercien. Ihr Bruder Æthelred war im Süden dieses Landes ein mächtiger
     Mann. Ich hatte nach meiner Flucht aus Northumbrien eine Weile in seinem Palas gewohnt und mich in dieser Zeit immer wieder
     mit meinem Vetter angelegt, der wie sein Vater Æthelred hieß. Er schien jedoch unsere jugendliche Rivalität vergessen zu haben
     und umarmte mich fest. Sein Kopf reichte mir gerade bis zum Schlüsselbein. «Wir sind gekommen, um zu kämpfen», sagte er, und
     seine Stimme klang gedämpft gegen meine Brust.
    «Dazu wirst du alle Gelegenheit haben», versprach ich ihm.
    «Herr», sagte er und wandte sich wieder zu Alfred um, «mein Vater hätte mehr Männer geschickt, aber er muss sein Land schützen.»
    «Ja, das muss er», sagte Alfred.
    |448| «Aber er hat Euch seine besten Krieger geschickt», fuhr Æthelred fort. Er war jung und wichtigtuerisch, ein rechter Aufschneider,
     der aber eine Zuversicht ausstrahlte, die Alfred gefiel, wie auch das silberne Kruzifix, das vor seinem Kettenhemd baumelte.
     «Erlaubt mir, dass ich Euch Tatwine vorstelle», fuhr mein Vetter fort, «den Befehlshaber der Haustruppe meines Vaters.»
    Ich erinnerte mich an Tatwine. Er war ein Fass von einem Mann, ein echter Kämpfer, der sich auf seinen Oberarmen mit Nadel
     und Tinte Bilder eines gefallenen Kriegers eingestochen hatte. Er bedachte mich mit einem schiefen Grinsen. «Immer noch am
     Leben, Herr?»
    «Immer noch am Leben, Tatwine.»
    «Schön, wieder einmal an Eurer Seite kämpfen zu können.»
    «Gut, dass du gekommen bist», sagte ich. Echte Krieger sind selten, und ein Mann wie Tatwine war so viel wert wie ein ganzes
     Dutzend anderer.
    Alfred ließ das Heer an diesem Abend noch einmal antreten, zum einen, weil er allen vor Augen führen wollte, wie groß unser
     Heer inzwischen war, zum anderen, weil er wusste, dass seine Rede vom Vorabend viele verwirrt und entmutigt hatte. Er wollte
     es ein weiteres Mal versuchen. «Ich wünschte, er ließe es bleiben», knurrte Leofric. «Predigen kann er ja, aber eine Kampfrede
     halten kann er nicht.»
    Wir versammelten uns am Fuß einer kleinen Anhöhe, auf der Alfred seine beiden Banner, den Drachen und das Kreuz, hatte

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