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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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glauben mochte, dass er erst neunundzwanzig Jahre alt war. Und während es ihm in diesem Augenblick
     an Haltung mangelte, wusste sich Æthelwold sehr wohl zu betragen. Er löste seinen Schwertgürtel und warf dem Onkel seine Waffen
     vor die Füße, fiel auf die Knie, ergriff Alfreds Hände und schaute ihm ins Gesicht. «Endlich habe ich Euch gefunden», sagte
     er, und seine Stimme klang nach Freude und Inbrunst.
    Alfred wusste nicht, was er sagen sollte. «Wir haben ihn |441| in den Hügeln entdeckt, Herr», sagte ich. «Er war auf der Suche nach Euch.»
    «Ich konnte aus Guthrums Lager fliehen», erklärte Æthelwold. «Gelobt sei Gott, ich bin den Heiden entronnen.» Er schob Alfred
     seine Waffen näher hin. «Ich biete euch meine Schwerter, mein König.»
    Durch diese überschwängliche Geste der Ergebenheit sah sich Alfred genötigt, seinen Neffen hochzuziehen und zu umarmen. Die
     Männer am Feuer klatschten. Æthelwold erstattete daraufhin Bericht und konnte Einzelheiten benennen, die uns zustatten kamen.
     Guthrum hatte, von Svein begleitet, sein Heer in Marsch gesetzt und zog mit fünftausend Mann gegen den König von Wessex, von
     dem er wusste, dass er sich im Hügelland von Wiltunscir aufhielt.
    «Wann werden sie hier sein?», fragte Alfred.
    «Vermutlich morgen, Herr», antwortete Æthelwold.
    Alfred bot ihm einen Platz an seiner Seite an und ließ ihm Wasser zu trinken bringen, was als Willkommenstrunk für einen verlorenen
     Sohn nicht gerade angemessen war und Æthelwold veranlasste, mir einen säuerlichen Blick zuzuwerfen.
    Erst jetzt fiel mir auf, dass sich in der Runde am Feuer auch Harald, der Landvogt von Defnascir, befand. «Ihr hier?», fragte
     ich überrascht.
    «Mit fünfhundert Männern», antwortete er stolz.
    Wir hatten weder aus Defnascir noch aus Thornsæta mit Unterstützung gerechnet, doch nun war Harald zur Stelle, mit vierhundert
     Soldaten seines eigenen Fyrds und hundert Männern aus Thornsæta. «Aldermann Odda bestand darauf, dass wir helfen, Guthrum
     zu bezwingen.»
    «Wie geht es Mildrith?»
    «Sie betet für ihren Sohn und für uns alle», antwortete Harald.
    |442| Nach dem Essen wurden Gebete gesprochen. Es wurde immer gebetet, wenn Alfred in der Nähe war. Ich versuchte, mich davonzustehlen,
     musste mich aber von Pyrlig zurückhalten lassen. «Der König will mit Euch reden», sagte er.
    Also ließ ich die eintönigen Fürbitten Bischof Alewolds über mich ergehen und wartete, bis der König das Wort an mich richtete.
     Er wollte wissen, ob Æthelwold tatsächlich von den Dänen geflohen sei.
    «Das hat er mir gesagt, Herr», antwortete ich, «und ich kann nur sagen, dass wir ihm begegnet sind.»
    «Er ist nicht vor uns weggelaufen», sagte Pyrlig, «obwohl er es hätte tun können.»
    «Dann steckt wohl am Ende doch etwas Gutes in dem Jungen», freute sich Alfred.
    «Gott sei gepriesen», sagte Pyrlig.
    Alfred starrte in die Glut des Lagerfeuers und dachte nach. «Ich habe heute Abend zum Heer gesprochen», erklärte er schließlich.
    «Davon habe ich gehört, Herr», sagte ich.
    Er warf mir einen scharfen Blick zu. «Was hast du gehört?»
    «Dass Ihr den Männern eine Predigt gehalten habt, Herr.»
    Er wand sich, ließ aber meinen Tadel gelten. «Was wollen sie denn hören?», fragte er.
    «Sie wollen hören», antwortete Pyrlig, «dass Ihr für sie zu sterben bereit seid.»
    «Sterben?»
    «Männer folgen, Könige führen», sagte Pyrlig. «Der heilige Augustinus kümmert sie nicht. Sie kümmert nur, dass es ihren Frauen
     und Kindern gutgeht, dass sie in Frieden ihr Land bestellen und Eigentum erwerben können. |443| Sie wollen wissen, dass das Kriegsglück auf ihrer Seite ist und die Dänen geschlagen werden. Sie wollen hören, dass ihnen
     reiche Beute winkt.»
    «Habgier, Rache und Selbstsucht?», erwiderte Alfred.
    «Bestünde Euer Heer aus Engeln, Herr», fuhr Pyrlig fort, «würden die Worte Gottes und des heiligen Augustinus gewiss ihren
     Kampfesmut anstacheln. An Eurer Seite aber kämpfen einfache Männer, und es gibt nichts, was sie mehr anspornen könnte als
     Habgier, Rache und Selbstsucht.»
    Alfred runzelte ob dieses Ratschlags die Stirn, ging aber nicht weiter darauf ein. «Du meinst also, ich kann meinem Neffen
     vertrauen?», fragte er mich.
    «Ich weiß nicht, ob Ihr ihm vertrauen könnt», antwortete ich. «Aber das weiß Guthrum auch nicht, und immerhin hat Æthelwold
     Euch aufgesucht, Herr. Damit könntet Ihr Euch vorerst

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