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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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dem Weg zu Svein gewesen. Ivar hatte sich in Dyflin nicht wohl gefühlt; in dem irischen Ort lebten
     mehr Nordmänner als Dänen, und es hatte dort immer wieder Schwierigkeiten mit kampflustigen einheimischen Volksstämmen gegeben.
     Die Aussicht auf Landbesitz in Wessex hatte ihn verlockt, also hatte er seine irische Wohnstatt aufgegeben, alles Hab und
     Gut auf seine Schiffe geladen und war ostwärts gesegelt.
    |134| «Schiffe?», fragte ich nach.
    «Es waren drei, als wir aufbrachen», antwortete Freyja. «Aber die beiden anderen haben wir letzte Nacht aus den Augen verloren.»
    Ich vermutete, dass es sich um jene beiden Schiffe handelte, die wir tags zuvor gesehen hatten. Doch die Götter waren uns
     hold, denn Freyja bestätigte mir, dass ihr Vater die wertvollsten Besitztümer auf das Schiff geladen hatte, auf dem er selbst
     gefahren war, und das hatten wir mitsamt seinen Fässern voller Münzen und Kästen voller Silber gekapert. Da waren auch Bernstein,
     Jett und Elfenbein, Waffen und Rüstungen. Wir stellten eine grobe Schätzung an und konnten unser Glück kaum fassen. Eine Kiste
     enthielt schieres Gold, zu groben, kleinen Quadern geformt, doch das Beste von allem steckte in dem schwarzen Bündel, denn
     was ich für einen Schild gehalten hatte, war in Wirklichkeit ein großer Silberteller, auf dem eine Kreuzigung dargestellt
     war. Auf dem schweren Rand des Tellers waren rund um dieses Todesbild Heilige zu sehen. Es waren zwölf. Ich vermutete, dass
     es die Apostel waren und dass der Teller in Irland zu einem Kirchenschatz oder Klosterschatz gehört hatte, bis er von Ivar
     geraubt worden war. Ich zeigte ihn meinen Männern. «Das», sagte ich in ehrfürchtigem Ton, «gehört nicht zur Beute. Das muss
     an die Kirche zurückgegeben werden.»
    Leofric sah mich an, verzog aber keine Miene.
    «Es geht an die Kirche zurück», bekräftigte ich und sah, dass einige meiner Männer – die frommeren unter ihnen – einverstanden
     waren. Ich wickelte den Teller wieder ein und verstaute ihn unter der Steuerplattform.
    «Wie viel schuldest du der Kirche?», fragte Leofric.
    «Was du im Kopf hast, fällt den Ziegen aus dem Arsch», antwortete ich.
    |135| Er lachte und schaute an mir vorbei. «Was machen wir jetzt?», wollte er wissen.
    Ich dachte, er fragte danach, was wir mit dem Rest unseres schönen Lebens anfangen sollten, doch er starrte zur Küste, wo
     auch ich jetzt bewaffnete Männer sah, die den Klippenrand säumten. Die Britonen von Dyfed verfolgten uns, doch sie waren zu
     spät gekommen. Allerdings war uns nun die Rückkehr in unsere kleine Bucht verwehrt, und so befahl ich, die Ruder zu besetzen
     und nach Osten zu steuern. Die Britonen folgten uns entlang der Küste. Anscheinend hatten sie von der Frau, die in der Nacht
     geflohen war, erfahren, dass wir Angelsachsen waren, und gehofft, wir würden an Land Zuflucht suchen und ihnen in die Hände
     fallen. Nur wenige Schiffe blieben über Nacht auf See, sofern sie nicht dazu gezwungen waren. Uns aber blieb jetzt keine andere
     Wahl, und so drehten wir bei und ruderten in südlicher Richtung von der Küste weg, während die untergehende Sonne die Wolken
     in rotes Licht tauchte, sodass es aussah, als verströme ein Gott sein Blut am Himmel.
    «Was hast du mit dem Mädchen vor?», fragte Leofric.
    «Mit Freyja?»
    «Heißt sie so? Willst du sie für dich?»
    «Nein», antwortete ich.
    «Dann nehm ich sie.»
    «Sie wird dich bei lebendigem Leibe auffressen», warnte ich ihn. Sie war einen Kopf größer als er.
    «Solche Frauen gefallen mir.»
    «Du kannst sie haben», sagte ich. So ist das Leben. Gestern noch war Freyja die verwöhnte Tochter eines Grafen, heute eine
     Sklavin.
    Unter den tüchtigsten meiner Männer verteilte ich die erbeuteten Kettenhemden. Wir hatten zwei Kämpfer |136| verloren, und drei weitere waren schwer verwundet, doch das war ein geringer Preis. Wir hatten zwanzig oder dreißig Dänen
     getötet und alle anderen in die Flucht geschlagen. Vielleicht würden sie an Land von den Britonen gut behandelt werden. Vielleicht
     aber auch nicht. Das Beste aber war, dass wir reich geworden waren, und mit diesem Gedanken trösteten wir uns, als die Nacht
     hereinbrach.
    Hoder ist der Gott der Nacht, und zu ihm betete ich. Ich warf ihm meinen alten Helm als Geschenk über Bord, denn wir alle
     fürchteten uns vor der Dunkelheit, die uns verschluckte, und es war pechfinster unter den Wolken, die den Himmel von Westen
     her bezogen hatten.

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