Der weiße Reiter
hatte gewonnen, meine Beliebtheit wurde dadurch allerdings nicht gesteigert. Für die Bewohner des Uisc-Tals
war und blieb ich ein Fremdling aus Northumbrien und schlimmer noch, ein Heide. Doch niemand wagte es, mir die Stirn zu bieten,
denn ich verließ Oxton nie ohne die Begleitung meiner Männer, und meine Männer verließen Oxton nie ohne ihre Waffen.
Die Ernte war eingebracht. Die Dänen hätten bei uns jetzt ausreichend Verpflegung für ihre Kämpfer gefunden, doch weder Guthrum
noch Svein überquerte die Grenze. Statt ihrer kam der Winter. Wir schlachteten das Vieh, pökelten Fleisch, gerbten das Leder
und kochten Sülze aus Kalbsfüßen. Ich war ständig darauf gefasst, die Kirchenglocken zu ungewöhnlichen Zeiten läuten zu hören,
was einen Angriff der Dänen bedeutet hätte, doch die Glocken blieben stumm.
Mildrith betete, dass der Friede andauern möge. Ich aber, jung und gelangweilt wie ich war, betete um das Gegenteil. Während
sie den Christengott um Beistand bat, ging ich mit Iseult tief in die Wälder, um Hoder, Odin und Thor Opfer darzubringen.
Und die Götter erhörten uns, denn im Dunkel unter dem Weltenbaum, wo die drei Spinnerinnen über unsere Geschicke entscheiden,
wurde ein roter Faden in mein Leben gewebt. Dem Schicksal |158| entrinnt nichts und niemand, und kurz nach dem Julfest schickten die Spinnerinnen einen königlichen Gesandten mit einem Ruf
nach Oxton. Iseults Traum, der mir Alfreds Gunst verheißen hatte, schien Wirklichkeit zu werden, denn der König berief mich
in seinen Witan nach Cippanhamm.
|159| FÜNF
Mildrith war überglücklich. Ihr Vater war weder vermögend noch bedeutend genug gewesen, um in den Witan, die ratgebende Versammlung
des Königs, berufen zu werden. Umso mehr freute sie sich, dass Alfred meine Mitwirkung wünschte. Das Witanegemot – so wurde
das Treffen genannt – begann immer am Stephanstag, dem Tag nach Weihnachten. Ich war für den zwölften Tag nach Weihnachten
geladen, und so blieb Mildrith genügend Zeit, meine Kleider in Ordnung zu bringen. Sie wurden gekocht, gescheuert, getrocknet
und ausgebürstet, womit drei Mägde beauftragt waren, und es dauerte drei Tage, ehe Mildrith mit dem Ergebnis zufrieden war
und darauf hoffen konnte, dass ich unserem Haus mit meinem Erscheinen in Cippanhamm alle Ehre machte. Sie selbst ließ die
gesamte Nachbarschaft wissen, dass der König meinen Rat verlangte. «Aber das solltest du ablegen», sagte sie und zeigte auf
mein Amulett, das Thors Hammer darstellte.
«Auf keinen Fall», entgegnete ich.
«Dann versteck es wenigstens. Und sei nicht so streitsüchtig!»
«Streitsüchtig?»
«Hör auf das, was andere sagen», empfahl sie mir. «Sei demütig. Und vergiss nicht, Odda dem Jüngeren zu gratulieren.»
«Wofür?»
«Er wird heiraten. Sag ihm, dass ich für ihn und seine Gemahlin bete.» Sie war wieder froh gestimmt, denn sie war überzeugt
davon, dass ich durch die Begleichung |160| unserer Schulden bei der Kirche Alfreds Gunst zurückgewonnen hatte, und es tat ihrer guten Stimmung auch keinen Abbruch, als
ich ihr eröffnete, dass Iseult mit mir kommen würde. Sie seufzte zwar, sagte dann aber, es sei nur recht, Iseult bei Alfred
vorzustellen. «Wenn sie eine Königin ist, gehört sie an seinen Hof. Dann ist unser Haus kein angemessener Aufenthaltsort für
sie.» Sie bestand darauf, mit einer Handvoll Silbermünzen zur Kirche in Exanceaster zu gehen, das Geld den Armen zu spenden
und Gott dafür zu danken, dass ich Alfreds Gunst wiedererlangt hatte. Außerdem dankte sie Gott für die gute Gesundheit unseres
Sohnes Uhtred. Ich sah ihn nur wenig, denn er war noch ein Kleinkind, und für Kleinkinder hatte ich noch nie viel übrig. Die
Frauen von Oxton aber versicherten mir immer wieder, dass er ein kräftiger, munterer Junge sei.
Wir wollten uns für die Reise zwei Tage Zeit lassen. Ich nahm Haesten und sechs weitere Männer zum Geleitschutz mit, denn
obwohl der Landvogt die Straßen beaufsichtigen ließ, gab es etliche unübersichtliche Stellen, an denen Strauchdiebe den Reisenden
auflauerten. Wir waren zu Pferde und trugen Kettenhemden oder lederne Rüstung, Schwerter, Speere, Äxte und Schilde. Iseult
saß auf einer kleinen schwarzen Stute, die ich für sie erworben hatte – wie auch den Umhang aus Otternfell, in den sie sich
gehüllt hatte. Wenn wir durch Dörfer kamen, wurde sie von den Bewohnern angestarrt, denn sie ritt wie ein Mann und hatte
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