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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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ihr
     schwarzes Haar mit einer silbernen Kette zusammengefasst. Die Leute beugten die Knie vor ihr und auch vor mir und baten um
     Almosen. Ihre Dienerin war zu Hause geblieben, denn ich hatte Iseult daran erinnert, dass immer, wenn der Witan tagte, sämtliche
     Gasthäuser von Exanceaster voll belegt waren. Es würde |161| schon schwierig genug werden, für uns eine Unterkunft zu finden, ganz zu schweigen von ihrer Magd.
    «Was will der König von dir?», fragte sie, als wir durch das Tal der Uisc ritten. Regenwasser sammelte sich in den Furchen
     des Weges und glitzerte in der Wintersonne, während im Unterholz die Blätter von Stechpalmen und die Beeren von Eberesche,
     Sanddorn, Holunder und Eibe schimmerten.
    «Solltest du mir das nicht sagen können?», erwiderte ich.
    Sie lächelte. «In die Zukunft zu blicken ist wie auf einer fremden Straße zu reisen. Gewöhnlich kann man nicht sehr weit in
     die Ferne sehen, und wenn doch, erhascht man nur einen kurzen Blick. In den Träumen, die mir mein Bruder einflößt, erfahre
     ich beileibe nicht alles.»
    «Mildrith glaubt, dass der König mir verziehen hat», sagte ich.
    «Hat er das?»
    Ich zuckte mit den Achseln. «Vielleicht.» Das hoffte ich, nicht weil mir an Alfreds Vergebung gelegen hätte, sondern weil
     ich den Befehl über die Flotte zurückhaben wollte. Ich wollte wieder mit Leofric zusammen sein. Ich wollte den Wind im Gesicht
     spüren und die Gischt auf den Wangen. «Seltsam», sagte ich, «dass Alfred mich nicht schon zu Beginn des Witanegemot dabeihaben
     wollte.»
    «Vielleicht haben sie zuerst über religiöse Fragen gesprochen», meinte Iseult.
    «Daran hätte er mich wahrhaftig nicht gerne teilnehmen lassen mögen.»
    «Also liegt es daran», sagte sie. «Sie reden über ihren Gott, aber am Ende kommen sie auf die Dänen zu sprechen, und deshalb
     hat er dich gerufen. Alfred weiß, dass er dich braucht.»
    |162| «Vielleicht will er auch nur, dass ich an dem Fest teilnehme», entgegnete ich.
    «An welchem Fest?»
    «Dem Dreikönigsfest zur zwölften Nacht», antwortete ich. Diese Erklärung schien mir die wahrscheinlichste. Alfred hatte beschlossen,
     mir zu verzeihen und mich zum Beweis seiner Gunst zum Winterfest eingeladen. Ich hoffte, dass es sich so verhielt, doch es
     war eine seltsame Hoffnung, denn noch vor ein paar Monaten war ich bereit gewesen, Alfred zu töten, und obwohl ich ihn immer
     noch hasste, wünschte ich mir jetzt seine Anerkennung. So ist der Ehrgeiz. Wenn es mir nicht möglich sein sollte, an Ragnars
     Seite aufzusteigen, wollte ich mein Ansehen an Alfreds Seite gewinnen.
    «Dein Weg, Uhtred», fuhr Iseult fort, «liegt vor dir wie eine blanke Klinge auf einem dunklen Moor. Ich sehe es ganz klar.»
    «Und die Frau aus Gold?»
    Darauf sagte sie jedoch nichts.
    «Bist du das?», fragte ich.
    «Als ich geboren wurde, verdunkelte sich die Sonne», antwortete sie. «Also bin ich eine Frau der Dunkelheit und des Silbers,
     nicht des Goldes.»
    «Wer ist sie dann?»
    «Jemand weit weg von hier, Uhtred, sehr weit weg.» Mehr sagte sie nicht. Vielleicht wusste sie nicht mehr, möglich aber auch,
     dass sie doch eine Ahnung hatte.
    Wir erreichten Cippanhamm spät am elften Tag nach dem Julfest. Die Gräben waren immer noch zugefroren, und die Sonne hing
     als großer roter Ball über schwarzem Gezweig, als wir das Westtor erreichten. Wie erwartet, waren sehr viele Menschen in die
     Stadt gekommen, doch man kannte mich im Wirtshaus zum Wachtelkönig, wo |163| die rothaarige Dirne Eanflæd arbeitete, und sie fand eine Unterkunft für uns: in einem halbverfallenen Kuhstall, der jetzt
     als Zwinger für zwei Dutzend Hunde diente. Die Hunde, so sagte Eanflæd, gehörten Huppa, dem Aldermann von Thornsæta, und würden,
     wie sie meinte, ein oder zwei Nächte draußen im Hof bleiben können. «Huppa denkt wahrscheinlich anders», fügte sie hinzu,
     «aber er kann von mir aus zur Hölle fahren.»
    «Zahlt er nicht?», fragte ich.
    Statt zu antworten, spuckte sie aus. Dann sah sie mich neugierig an. «Es heißt, dass auch Leofric in der Stadt ist.»
    «Tatsächlich?» Die Nachricht ließ mein Herz höher schlagen.
    «Ich habe ihn selbst noch nicht gesehen, aber irgendjemand sagte, er sei hier. Im königlichen Palas. Ist er vielleicht mit
     Burgweard gekommen?» Burgweard war der neue Befehlshaber der Flotte, der seine Schiffe in Zweierverbänden segeln lassen wollte,
     um dem Beispiel der Jünger Christi zu folgen. «Leofric wäre besser

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