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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Glocke. Ihr langsamer Schlag klang wie das Läuten zu einer Beerdigung. Sie setzte plötzlich aus,
     fing noch einmal kurz zu läuten an, verstummte dann aber endgültig. Ein Horn erschallte. Dann preschten etwa zehn Reiter dicht
     an unserem Versteck vorbei. An ihren schwarzen Umhängen und den schwarzbemalten Schilden erkannte ich sie als Kämpfer Guthrums.
    Guthrum. Guthrum der Unglückliche. Er nannte sich König von Ostanglien, aber er wollte auch Wessex unter seine Herrschaft
     zwingen, und das war sein dritter Versuch, das Land einzunehmen, und es schien, als sollte er dieses |204| Mal mehr Glück haben. Während Alfred das Fest der zwölften Nacht gefeiert und der Witan über den Unterhalt der Brücken und
     die Bestrafung von Missetätern gestritten hatte, war Guthrum mit seinen Kriegern losgezogen. Die Dänen standen in Wessex,
     Cippanhamm war gefallen, und die hohen Herren aus Alfreds Königreich waren überrascht worden, geflohen oder umgebracht worden.
     Wieder ertönte das Horn, worauf die schwarzgewandeten Reiter kehrtmachten und dem Ton entgegenritten.
    «Wir hätten wissen müssen, dass die Dänen kommen», sagte ich wütend.
    «Du hast es schon immer gesagt», erwiderte Leofric.
    «Hat Alfred denn keine Kundschafter in Gleaweceste?»
    «Er verlässt sich lieber auf Priester und Gebete», höhnte Leofric, «und vertraut darauf, dass Guthrum die Waffenruhe einhält.»
    Ich berührte mein Hammeramulett. Ich hatte es einem Jungen aus Eoferwic abgenommen. Selbst noch ein Junge und gerade erst
     von den Dänen gefangen genommen, hatte ich ihn, der mit fliegenden Fäusten und Fußtritten kämpfte, mit meinen Schlägen niedergestreckt
     und seines Amuletts beraubt. Ich habe es immer noch. Ich berühre es oft, um Thor daran zu erinnern, dass ich noch lebe. An
     diesem Tag vor Cippanhamm aber berührte ich es, weil ich an Ragnar dachte. Die Geiseln würden wohl inzwischen getötet worden
     sein. War Wulfhere aus diesem Grund schon vor dem Morgengrauen weggeritten? Aber woher hätte er wissen sollen, dass die Dänen
     im Anmarsch waren? Wenn Wulfhere Bescheid gewusst hätte, wäre auch Alfred im Bilde gewesen und hätte die westsächsischen Streitkräfte
     in Bereitschaft versetzt. Wie dem auch sei, Guthrum hatte wieder einmal eine Waffenruhe gebrochen, und als er das |205| früher tat, hatte er schon unter Beweis gestellt, dass er bereit war, die Geiseln, die er als Friedenspfand gefangen hielt,
     seinen Kriegsplänen zu opfern. Es schien klar, dass er es wieder getan hatte, und deshalb musste Ragner tot sein, und meine
     Welt war verarmt.
    So viele Tote. Überall lagen Leichen auf dem Feld zwischen unserem Versteck und dem Fluss, und das Schlachten ging weiter.
     Viele der Flüchtenden hatten kehrtgemacht, um in die Stadt zurückzugelangen, mussten aber feststellen, dass die Brücke bewacht
     war. Bei dem Versuch, nach Norden auszuweichen, wurden sie von den Dänen niedergeritten. Drei Männer leisteten mit gezogenen
     Schwertern Gegenwehr, doch ein Däne lenkte mit einem wilden Schrei sein Tier auf sie, sein Speer fuhr durch das Kettenhemd
     des einen Mannes und zerfetzte seine Brust, und die beiden anderen wurden von dem Pferd beiseitegeschleudert, und sofort stürzten
     sich andere Dänen mit erhobenen Schwertern und Äxten auf sie. Ein Mädchen rannte entsetzt schreiend im Kreis, bis sich ein
     Däne mit langem fliegendem Haar aus dem Sattel beugte und ihm das Kleid über den Kopf zog, sodass es blind und halbnackt war.
     Verlacht von einer Handvoll dänischen Kriegern, taumelte das Mädchen durch das nasse Gras, die Schreie gedämpft von dem Kleid.
     Einer klatschte ihm sein Schwert auf den bloßen Steiß, ein anderer zerrte es hinter sich her. Iseult zitterte. Ich legte ihr
     meinen gepanzerten Arm um die Schulter.
    Ich hätte mich den Dänen dort auf dem Feld anschließen können. Ich sprach ihre Sprache und sah mit meinen langen Haaren und
     den Armreifen selbst aus wie ein Däne. Doch Haesten war irgendwo in Cippanhamm, und ich musste fürchten, dass er mich verraten
     würde. Guthrum war mir alles andere als freundlich gesinnt, und selbst wenn |206| ich überleben würde, würde es Leofric und Iseult schlecht ergehen. Die Dänen waren berauscht von ihrem leicht errungenen Sieg.
     Wenn ein paar von ihnen beschlossen, dass sie Iseult haben wollten, dann würden sie sie nehmen, ganz gleich, ob sie mich für
     einen Dänen hielten oder nicht. Jetzt machten sie sich in Gruppen auf die Jagd nach

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