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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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traurig.
    «England ist am Ende», sagte ich.
    «Was machen wir jetzt?», fragte Iseult.
    Ich wusste keine Antwort darauf. Ragnar war sicherlich tot, und so hatte ich keine Zuflucht mehr bei den Dänen. Alfred war
     tot oder auf der Flucht. Ich musste an meinen |209| Sohn denken. Er war noch sehr klein, aber er war mein Sohn, und er trug meinen Namen. Ihm würde die Bebbanburg gehören, wenn
     ich sie zurückgewinnen konnte, und wenn nicht, wäre es seine Pflicht, um sie zu kämpfen, damit der Name Uhtred von Bebbanburg
     bis zu den letzten Wirren der sterbenden Welt fortdauerte.
    «Wir sollten nach Hamtun gehen und die Mannschaft zusammensuchen», schlug Leofric vor.
    Aber würden die Dänen nicht schon dort sein? Oder zumindest auf dem Weg? Sie wussten, wo die mächtigen Herren von Wessex ihre
     Burgen hatten und wo ihre Truppen standen. Guthrum würde seine Kämpfer längst in Marsch gesetzt haben, um zu brandschatzen,
     zu töten und so das letzte Königreich der Sachsen wehrlos zu machen.
    «Wir brauchen etwas zu essen», sagte ich. «Und wir müssen uns aufwärmen.»
    «Zünd hier ein Feuer an», knurrte Leofric, «und wir sind tot!»
    Also warteten wir. Aus dem Nieseln wurde Schneeregen. Haesten und seine neuen Freunde zogen ab, nachdem ihr Opfer tot war,
     und überließen das Leichenfeld den Raben. Iseult, die ebenso dünn war wie Alfred, zitterte inzwischen wie Espenlaub, also
     setzte ich am späten Nachmittag meinen Helm ab und nahm das Band aus dem Haar, sodass es frei auf die Schulter herabfiel.
    «Was hast du vor?», fragte Leofric.
    «Einstweilen sind wir Dänen», antwortete ich. «Ihr müsst nur den Mund halten.»
    Ich führte sie in die Stadt. Ich hätte lieber noch bis zur Dunkelheit gewartet, doch Iseult fror zu sehr, um es länger aufzuschieben.
     Ich hoffte einfach, dass sich die Dänen beruhigt haben würden. Unser Vorhaben war dennoch gefährlich. Auch wenn man mich für
     einen Dänen halten |210| mochte, könnte mich Haesten zu Gesicht bekommen. Und wenn er den anderen erzählte, dass ich ein dänisches Schiff aus Dyfed
     aufgebracht hatte, war mir ein qualvoller Tod sicher. Mit unguten Gefühlen machten wir uns über das von blutigen Leichen übersäte
     Feld auf den Weg am Flussufer. Die Raben krächzten, als wir uns näherten, flatterten zu den Winterweiden auf und kehrten zu
     ihrem Festmahl zurück, als wir uns wieder entfernt hatten. An der Brücke erhob sich ein Leichenberg, zusammengetragen von
     jungen Gefangenen, die nun dazu gezwungen wurden, ein Grab auszuheben. Die Dänen, die sie bewachten, waren betrunken und ließen
     uns unbehelligt den hölzernen Steg unter dem Torbogen überqueren, der immer noch mit Stechpalmenzweigen und Efeu vom Weihnachtsfest
     geschmückt war.
    Die Brände waren schwächer geworden, erstickt vom Regen oder gelöscht von den Dänen, die Häuser und Kirchen plünderten. Wir
     hielten uns in den engsten Gassen, schlichen an einer Schmiede vorbei, einer Gerberei und einem Laden, in dem Töpfe verkauft
     worden waren. Unter unseren Stiefeln knirschten die Tonscherben. Ein junger Däne übergab sich am Ende der Gasse. Von ihm erfuhr
     ich, dass Guthrum in der königlichen Festung war, wo in dieser Nacht gefeiert werden sollte. Dann richtete er sich schwankend
     auf und schnappte nach Luft, war aber nüchtern genug, um mir einen Beutel Münzen für Iseult anzubieten. Aus den Häusern drangen
     Schreie und schluchzende Laute von Frauen, und Leofric wurde immer wütender, doch ich hieß ihn ruhig bleiben. Wir zwei konnten
     Cippanhamm nicht allein befreien, und es würde auch nicht anders klingen, wenn ein westsächsisches Heer einen dänischen Ort
     überfallen hätte. «Alfred würde so etwas nicht zulassen», sagte Leofric mürrisch.
    |211| «Aber es würde trotzdem so kommen», entgegnete ich. «Das weißt du aus eigener Erfahrung.»
    Ich brannte auf Neuigkeiten, doch was von den Dänen auf der Straße zu hören war, ergab keinen Sinn. Sie hatten ihren Stützpunkt
     bei Gleawecestre lange vor Sonnenaufgang verlassen, Cippanhamm eingenommen und wollten nun das genießen, was die Stadt ihnen
     bot. Auf der Suche nach Silber durchstöberten sie die rauchenden Trümmer der niedergebrannten Kirche. Weil wir nicht wussten,
     wohin wir uns sonst wenden sollten, gingen wir zum Wachtelkönig, dem Gasthaus, in dem wir immer tranken, und dort fanden wir
     Eanflæd, die rothaarige Dirne. Zwei junge Dänen drückten sie auf einen Tisch nieder, während sich drei

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