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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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lauter, während ich immer weiter zurückwich. Schließlich warf er sich mir entgegen, worauf ich nach rechts auswich
     und die Seiten mit ihm tauschte, damit er sich umdrehte. Doch da hielt er plötzlich inne, starrte an mir vorbei und senkte
     Schild und Schwert. Und ich hätte nur noch zustoßen müssen. Ich hätte ihn töten können. Ich hätte ihm mein Schwert in die
     Brust, in den Hals oder den Bauch rammen können, tat aber nichts davon. In Kampfesdingen war Steapa alles andere als ein Narr.
     Ich glaubte, dass er mich zu täuschen versuchte, und schlug die Einladung zum Angriff aus. Wenn ich zustieße, dachte ich,
     würde er mich zwischen seinem Schild und seinem Schwert zerquetschen. Er wollte, dass ich ihn für wehrlos hielt und mich in
     die Reichweite seiner Waffen bewegte, doch stattdessen tat ich es ihm gleich und bot ihm mit ausgebreiteten Armen an, mich
     anzugreifen, so wie er mir anbot, ihn anzugreifen.
    Doch er beachtete mich nicht. Er starrte einfach nur über meine Schulter. Die Schreie der Frau waren inzwischen schrill geworden,
     Rufe von Männern wurden laut. Ich hörte Leofric meinen Namen brüllen und sah, dass die Zuschauer nicht mehr auf uns achteten,
     sondern in Panik davonliefen.
    Also wandte ich Steapa den Rücken und richtete meinen |201| Blick auf die Stadt, die auf dem Hügel über der Flussschleife lag.
    Cippanhamm brannte. Rauch verdunkelte den Winterhimmel, und am Horizont zog eine große Streitmacht auf, berittene Männer mit
     Schwertern und Äxten, Schilden, Speeren und Bannern. Vom Osttor kommend, sprengten weitere Reiter über die Brücke.
    Denn sämtliche Gebete Alfreds waren nicht erhört worden. Die Dänen fielen über Wessex her.

|202| SECHS
    Steapa hatte seine Sinne schneller wieder beisammen als ich. Er starrte mit offenem Mund die Dänen auf der Brücke an und rannte
     zu Odda, seinem Herrn, der nach den Knechten brüllte, auf dass sie ihm die Pferde brächten. Die Dänen hatten die Brücke inzwischen
     überquert und schwärmten mit gezogenen Schwertern und erhobenen Lanzen auf dem Feld aus. Der Rauch über der brennenden Stadt
     vermischte sich mit den tiefhängenden Winterwolken. Einige Gebäude der königlichen Festung standen in Flammen. Ein reiterloses
     Pferd galoppierte mit tanzenden Steigbügeln über die Wiese. Dann packte mich Leofric am Ellbogen und zerrte mich zum Flussufer.
     Ein Großteil der Menge floh südlich in die entgegengesetzte Richtung, und die Dänen verfolgten sie. Iseult reichte mir mein
     Kettenhemd, und ich gab ihr den Wespenstachel, damit sie sich schützen konnte. Die Schreie hinter uns schwollen an, als die
     Dänen in die Menge preschten. Die Leute stoben auseinander. Reiter flohen an uns vorbei, die stampfenden Pferdehufe wirbelten
     feuchte Erdklumpen und Grasbüschel auf. Ich sah Odda den Jüngeren und Harald, den Landvogt, wegreiten, konnte aber nirgends
     Steapa sehen und fürchtete einen Moment lang, dass er mir womöglich nachstellte. Doch dann vergaß ich ihn, denn eine Gruppe
     von Dänen hatte sich aus dem Reiterheer gelöst, um Odda in Richtung Norden zu verfolgen. «Wo sind unsere Pferde?», rief ich
     Leofric zu. Er sah mich verwirrt an, und ich erinnerte mich, dass er nicht zusammen mit mir nach Cippanhamm gekommen war.
     Die Pferde standen wahrscheinlich |203| noch im Hof hinter dem Gasthof und waren damit für uns verloren.
    Zwischen ein paar kahlen Erlen, die am Ufer standen, lag eine umgestürzte Weide, hinter der wir uns versteckten, um zu Atem
     zu kommen. Ich zog mein Kettenhemd an, gürtete mein Schwert und ließ mir von Leofric Helm und Schild reichen. «Wo ist Haesten?»,
     fragte ich.
    «Hat Reißaus genommen», knurrte er. Auch meine übrigen Männer waren mit der aufgebrachten Menge in südlicher Richtung davongerannt.
     Leofric zeigte nach Norden. «Ärger», sagte er nur. Zwei Dutzend Dänen kamen am Flussufer auf uns zugeritten und versperrten
     uns den Fluchtweg. Sie waren jedoch noch ein gutes Stück entfernt, und weil die Verfolger Oddas nicht mehr zu sehen waren,
     konnten wir uns über die sumpfige Weide in ein Dickicht aus Dornsträuchern, Erlen, Nesseln und Efeu zurückziehen. In seiner
     Mitte stand eine alte, aus Weidenruten geflochtene Hütte, die vielleicht einmal einem Schäfer als Unterschlupf gedient hatte.
     Obwohl halb eingefallen, bot sie uns doch besseren Schutz als der Weidenstamm. Und so schlugen wir drei uns durch das Dickicht
     und krochen in die Hütte.
    Aus der Stadt tönte eine

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