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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Überlebenden, also war es das Beste, versteckt
     zu bleiben, bis sie sich ausgetobt hatten. Auf dem Hügel jenseits des Flusses sah ich die große Kirche von Cippanhamm brennen.
     Vom Strohdach wirbelten Flammen und funkensprühende Rauchschwaden in den Himmel.
    «Was zum Teufel hast du da vorhin getrieben?», fragte Leofric.
    «Vorhin?» Ich wusste nicht, was er meinte.
    «Als du wie eine Stechmücke um Steapa herumgeschwirrt bist. So hättest du nichts gegen ihn ausrichten können.»
    «Ich habe zwei Treffer gelandet», entgegnete ich, «und ihn verwundet.»
    «Ihn verwundet? Guter Gott, der verliert doch mehr Blut, wenn er sich beim Bartscheren schneidet!»
    «Spielt das jetzt noch eine Rolle?» Ich vermutete, dass Steapa inzwischen tot war. Vielleicht hatte er aber auch fliehen können.
     Ich wusste es nicht. Fest stand nur, dass die Dänen gekommen waren. Und Mildrith? Mein Sohn? Sie waren weit weg, und wahrscheinlich
     würden sie vor dem dänischen Angriff gewarnt werden. Ich zweifelte jedoch keinen Augenblick daran, dass die Dänen bis tief
     ins Innere von Wessex vordringen würden, und ich konnte nichts tun, um Oxton zu schützen. Ich hatte kein Pferd, keine Männer
     und keine Möglichkeit, vor Guthrums berittenen Kämpfern die Südküste zu erreichen.
    Ich sah einen Dänen vorbeireiten, vor dessen Sattel eine |207| junge Frau lag. «Was ist eigentlich aus dem dänischen Mädchen geworden, das du mit nach Hause genommen hast», fragte ich Leofric,
     «das wir in Wales gefangen haben?»
    «Es lebt immer noch in Hamtun», antwortete er, «und liegt jetzt, da ich fort bin, wahrscheinlich im Bett eines anderen.»
    «Wahrscheinlich? Mit Sicherheit.»
    «Das gönn ich dem Mistkerl, wer immer er ist», sagte er. «Sie heult ständig.»
    «Genau wie Mildrith», sagte ich. Und dann: «Eanflæd ist wütend auf dich.»
    «Eanflæd? Wütend auf mich? Warum?»
    «Weil du nicht zu ihr gekommen bist.»
    «Wie hätte ich? Ich lag in Ketten.» Es schmeichelte ihm offenbar, dass die Hure nach ihm gefragt hatte. «Eanflæd heult jedenfalls
     nicht, oder?»
    «Das habe ich noch nie erlebt.»
    «Ein gutes Mädchen. Ich glaube, es könnte ihr in Hamtun gefallen.»
    Falls es Hamtun denn noch gab. War vielleicht eine dänische Flotte aus Lundene aufgekreuzt? Griff Svein von der Sæfern-See
     aus an? Ich hatte keine Ahnung und wusste nur, dass in Wessex Chaos und Vernichtung herrschten. Es fing wieder zu regnen an,
     kleine, kalte Tropfen, die in die Haut stachen. Iseult kauerte sich tief neben mich, und ich hielt meinen Schild über sie.
     Die meisten, die sich am Flussufer versammelt hatten, um den Zweikampf mitzuerleben, waren Richtung Süden geflohen und nur
     eine Handvoll wie wir nach Norden. Deshalb waren nur wenige Dänen in der Nähe unseres Verstecks, und die machten sich jetzt
     über ihre Beute her, nahmen den Toten auf der Wiese die Waffen, das Rüstzeug und alles, was von Wert |208| war. Nur wenige sächsische Männer hatten überlebt. Sie wurden nun mit den Kindern und den jüngeren Frauen weggeführt, um als
     Sklaven verkauft zu werden. Die Alten mussten sterben. Ein Verwundeter, der auf Händen und Knien umherkroch, wurde von mehreren
     Dänen gequält wie ein verletzter Spatz, mit dem die Katzen spielen. Sie piekten ihn mit ihren Schwertern und Spießen und ließen
     ihn langsam verbluten. Einer der Folterer war Haesten. «Ich habe Haesten immer gemocht», sagte ich traurig.
    «Er ist Däne», brummte Leofric verächtlich.
    «Trotzdem habe ich ihn gemocht.»
    «Er verdankt dir sein Leben, und jetzt ist er zu seinen Leuten zurückgekehrt», entgegnete Leofric. «Du hättest ihn töten sollen.»
     Ich sah, wie Haesten mit den Füßen auf den hilflosen Mann am Boden eintrat, der vor Schmerzen schrie und bettelte, dass man
     ihm endlich den Gnadenstoß versetzte, doch die Gruppe der jungen Kämpfer verhöhnte und quälte ihn weiter. Schon kamen die
     ersten Raben herbeigeflattert. Ich habe mich oft gefragt, ob Raben Blut riechen können, denn es kann den ganzen Tag keiner
     zu sehen sein, aber wenn ein Mensch stirbt, schweben sie plötzlich auf ihren glänzenden schwarzen Flügeln wie aus dem Nichts
     herbei. Vielleicht werden sie von Odin geschickt, denn die Raben sind seine Vögel. Und jetzt flatterten sie zu Boden und gierten
     danach, sich an Augen und Lippen zu laben, der Vorspeise eines jeden Rabenmahls. Die Hunde und Füchse würden ihnen bald folgen.
    «Wessex ist am Ende», bemerkte Leofric

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