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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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zu sein. Auch wenn wir durch einsame Landstriche wanderten, fernab von allen Straßen oder Pfaden, entdeckten
     wir oft eine Gruppe Dänen auf einem Erkundungsritt, denen wir im weiten Bogen ausweichen mussten, wodurch wir immer weiter
     nach Westen abkamen. Östlich von uns verlief die alte Römerstraße zwischen Baðum und Exanceaster, die Hauptverbindung in diesem
     Teil von Wessex, und ich vermutete, dass die Dänen von dieser Straße aus das Land zu beiden Seiten überwachten. Auf unseren
     Umwegen gelangten wir in die Nähe der Sæfern-See, doch wir konnten auch dort nicht sicher sein, denn bestimmt war Svein inzwischen
     aus Wales hierhergekommen.
    |217| Ich nahm außerdem an, dass Wessex mittlerweile gefallen war. Wir begegneten einigen Flüchtlingen, die sich in den Wäldern
     versteckt hielten. Doch auch sie hatten nur Gerüchte gehört. Niemand hatte westsächsische Soldaten gesehen, niemand hatte
     etwas von Alfred erfahren. Alles, was sie bezeugen konnten, war die Allgegenwart der Dänen und ihre Verwüstungen. Ab und zu
     kamen wir an einer geplünderten Ortschaft oder einer niedergebrannten Kirche vorbei. Wo Rabenschwärme flogen, trafen wir auf
     verwesende Leichen. Wir irrten umher, und ich hatte alle Hoffnung aufgegeben, Oxton zu erreichen. Ich nahm an, dass Mildrith
     in den Hügeln westlich von Oxton Zuflucht gesucht hatte, denn dorthin flohen die Bewohner des Uisc-Tals immer, wenn die Dänen
     kamen. Ich hoffte inständig, dass sie lebte, dass mein Sohn lebte, doch was die Zukunft für ihn bereithielt, war so ungewiss
     wie das Dunkel der langen Winternächte.
    «Vielleicht sollten wir unseren Frieden mit ihnen machen», schlug ich Leofric eines Abends vor. Wir rasteten in einer mit
     Torf gedeckten Schäferhütte und kauerten vor einem kleinen Feuer, das den engen Raum mit Rauch füllte. Wir waren dreckig,
     durchnässt und froren. Wir nagten an gerösteten Rippen, die wir aus dem zerfressenen Kadaver eines Hammels herausgeschnitten
     hatten. «Wir sollten uns den Dänen anschließen und ihnen Treue schwören», sagte ich.
    «Und zu ihren Sklaven werden?», fragte Leofric bitter.
    «Nein, wir werden kämpfen», entgegnete ich
    «Für einen Dänen kämpfen?» Er schürte das Feuer, sorgte aber nur für noch mehr Rauch. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass
     sie ganz Wessex eingenommen haben», polterte er.
    «Warum nicht?»
    |218| «Es ist zu groß. Irgendwo muss es doch Männer geben, die Gegenwehr leisten. Wir müssen sie nur finden.»
    Ich dachte an einen Streit zurück, der vor langer Zeit in Lundene geführt worden war. Ich war damals noch ein Kind und lebte
     bei den Dänen, als ich mit angehört hatte, wie einige ihrer Kriegsherren meinten, die beste Art, Wessex zu erobern, sei, das
     Kernland im Westen anzugreifen, während andere die Meinung vertraten, es sei besser, zunächst das alte Königreich von Kent
     zu besetzen, den schwächsten Teil von Wessex, zu dem auch der große Schrein von Contwaraburg gehörte. Doch diejenigen, die
     den kühnsten Plan vertraten, hatten sich durchgesetzt. Der erste Angriff auf den Westen war allerdings gescheitert. Nun hatte
     Guthrum die Oberhand gewonnen. Aber wie weit war er gekommen? Bis nach Kent? Defnascir?
    «Und was wird aus Mildrith, wenn du dich den Dänen anschließt?», fragte Leofric.
    «Sie wird sich irgendwo versteckt halten», antwortete ich lustlos, und dann wurde es für eine Weile still. Doch ich sah Eanflæd
     ihre Empörung an und hoffte, sie würde den Mund halten.
    Aber das tat sie nicht. «Kümmert sie dich überhaupt?», fragte sie herausfordernd.
    «Ja.»
    Eanflæd schnaubte. «Gib’s zu, du bist ihrer überdrüssig.»
    «Natürlich kümmert sie ihn», versuchte Leofric zu schlichten.
    «Sie ist seine Frau», entgegnete Eanflæd, den Blick immer noch auf mich gerichtet. «Männer haben ihre eigenen Frauen schnell
     satt», fuhr sie fort. Iseult hörte aufmerksam zu, und ihre großen dunklen Augen wanderten zwischen Eanflæd und mir hin und
     her.
    |219| «Was weißt du von Ehefrauen?», fragte ich.
    «Ich war verheiratet», antwortete Eanflæd.
    «Tatsächlich?», fragte Leofric überrascht. Davon hatten wir beide nichts gewusst.
    «Drei Jahre lang», erklärte sie, «mit einem Mann, der in Wulfheres Leibwache diente. Er machte mir zwei Kinder und starb dann
     in der Schlacht, in der auch König Æthelred gefallen ist.»
    «Zwei Kinder?», fragte Iseult.
    «Die sind gestorben», erwiderte Eanflæd rau. «Das haben Kinder so an

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