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Der weiße Reiter

Titel: Der weiße Reiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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sich, sie sterben.»
    «Warst du glücklich mit ihm?», wollte Leofric wissen, «mit deinem Mann?»
    «Ungefähr drei Tage lang», antwortete sie. «In den restlichen drei Jahren wurde mir klar, dass Männer Scheißkerle sind.»
    «Alle?», fragte Leofric.
    «Die meisten.» Sie schenkte Leofric ein Lächeln und berührte sein Knie. «Du nicht.»
    «Und ich?», fragte ich.
    «Du?» Sie sah mich an. «Dir würde ich nicht mal so weit trauen, wie ich spucken kann», antwortete sie in so giftigem Ton,
     dass Leofric in Verlegenheit kam und ich mich wunderte. Manchmal kommt es zu solchen Momenten, in denen wir uns mit den Augen
     anderer sehen. Der Anblick ist nicht immer schön, gehört aber wohl dazu, wenn man erwachsen werden will. Anscheinend bereute
     Eanflæd ihre harte Bemerkung, denn sie versuchte ihr nun die Spitze zu nehmen. «Ich weiß nicht viel von dir, außer dass du
     Leofrics Freund bist.»
    «Uhtred ist großzügig», sagte Iseult.
    «Wenn sie etwas wollen, sind alle Männer großzügig», entgegnete Eanflæd.
    |220| «Ich will nur eines, und das ist die Bebbanburg», erklärte ich.
    «Keine Ahnung, was es damit auf sich hat», sagte Eanflæd. «Aber ich schätze, du würdest alles tun, um sie zu bekommen, nicht
     wahr? Alles.»
    Es wurde wieder still. Ich sah eine Schneeflocke durch einen Spalt in der Tür hereinwirbeln und über dem Feuer zerschmelzen.
     Leofric brach das unangenehme Schweigen. «Alfred ist ein guter Mann.»
    «Zumindest versucht er, gut zu sein», meinte Eanflæd.
    «Versucht er’s nur?», höhnte ich.
    «Er ist wie du», sagte sie. «Er würde über Leichen gehen, um sein Ziel zu erreichen, aber es gibt einen Unterschied. Er hat
     ein Gewissen.»
    «Du meinst wohl, er fürchtet die Priester.»
    «Er fürchtet Gott. Und das sollten wir alle. Denn eines Tages werden wir vor Gottes Angesicht stehen.»
    «Ich nicht», sagte ich.
    Eanflæd strafte mich mit einem verächtlichen Blick. Leofric beeilte sich, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken, und machte
     darauf aufmerksam, dass es schneite. Bald danach streckten wir uns aus, um zu schlafen. Iseult hielt mich umschlungen, und
     sie wimmerte und zuckte im Schlaf, während ich lange wach lag, vor mich hinträumte und an ihre Worte dachte, mit denen sie
     mir verheißen hatte, dass ich ein strahlendes Heer führen würde. Die Erfüllung einer solchen Prophezeiung erschien mir höchst
     unwahrscheinlich, ja, ich glaubte, dass sie mit der Jungfräulichkeit auch ihre magischen Kräfte verloren haben musste. Endlich
     überkam auch mich der Schlaf, und als ich aufwachte und die Tür öffnete, blickte ich auf eine weiße Welt hinaus. Auf den Ästen
     und Zweigen lag Schnee, der aber schon zu schmelzen begonnen hatte und in einen |221| nebelverhangenen Morgen tropfte. Vor der Tür lag tot ein winziger Zaunkönig, und ich fürchtete, das könne ein böses Omen sein.
    Leofric trat zu mir hinaus und blinzelte in das helle Licht. «Lass dich von Eanflæd nicht ärgern», sagte er.
    «Keine Sorge.»
    «Ihre Welt ist untergegangen.»
    «Dann müssen wir sie wiederaufbauen», erwiderte ich.
    «Soll das heißen, du wirst dich den Dänen nicht anschließen?»
    «Ich bin Sachse», antwortete ich.
    Leofric lächelte. Er öffnete seinen Hosenlatz und pinkelte. «Wärst du auch noch Sachse, wenn dein Freund Ragnar lebte?», fragte
     er und betrachtete den Dampf, der von seinem Strahl aufstieg.
    «Er ist tot, oder?», entgegnete ich finster. «Dem Ehrgeiz Guthrums geopfert.»
    «Du bist also jetzt ein Sachse?»
    «Ich bin Sachse», wiederholte ich, und meine Stimme klang überzeugter, als ich es war, denn ich wusste nicht, was die Zukunft
     bringen würde. Wie konnte ich das auch? Möglich, dass Iseult die Wahrheit gesagt hatte und ich, von Alfred ermächtigt, ein
     strahlendes Heer anführen und eine Frau aus Gold haben sollte, doch ich zweifelte mittlerweile an Iseults Gaben. Vielleicht
     war Alfred schon tot und sein Königreich untergegangen. Ich wusste nur, dass die Landschaft nach Süden hin von einem schneebedeckten
     Höhenkamm begrenzt war und dort in einer sonderbar leeren Helligkeit endete. Der Horizont erschien mir wie der Rand der Welt
     über einem Abgrund aus perlfarbenem Licht. «Wir gehen nach Süden», sagte ich. Uns blieb nichts anderes übrig, als auf dieses
     Licht zuzuwandern.
    Und das taten wir. Wir folgten einem Schafspfad auf die |222| langgezogene Anhöhe, und ich sah, dass sie nach Süden hin steil abfiel und den Blick auf eine

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