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Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Meilen zurücklegt. Wir setzen uns erst einmal von Santa Ana ab.«
    »Das wird den Jungs aber gar nicht gefallen«, wandte Rudledge ein.
    »Ich will Santa Ana von unseren Flüchtlingen fernhalten. Es wäre verdammt ärgerlich, wenn er auf die treffen und sie niedermachen würde. So aber muss er uns folgen, da er nicht weiß, was wir vorhaben.«
    Houston hatte keine Lust auf eine lange Diskussion und forderte jetzt auch die anderen Offiziere auf, ihre Einheiten auf einen Gewaltmarsch am nächsten Tag vorzubereiten.
    Walther kehrte bedrückt zu seiner Kompanie zurück. Zu den Flüchtlingen, die Houston erwähnt hatte, zählte auch Gisela. Das hatte er von dem Handelsgehilfen Jack erfahren, der nun ebenfalls zur Armee gestoßen war. Sie war hochschwanger oder hatte das Kind vielleicht auch schon geboren. Ich hätte sie nicht verlassen dürfen, fuhr es ihm durch den Kopf. Viele Männer sind bei ihren Familien geblieben, anstatt sich Houstons Armee anzuschließen. Wäre jeder Texaner, der eine Waffe halten konnte, zur Armee gekommen, ständen sie jetzt mit sechs- bis siebentausend Mann gegen Santa Ana. Dann hätten sie den selbsternannten Napoleon des Westens nicht so tief nach Texas eindringen lassen müssen, sondern schon bei San Antonio zurückgeschlagen und über den Rio Grande zurückgejagt.
    Walther schüttelte diese Überlegungen ab, denn es brachte nichts, vergebenen Chancen nachzutrauern. Stattdessen winkte er Thierry und die Unteroffiziere zu sich. »Wir stehen morgen eine Stunde eher auf und marschieren dreißig Meilen. General Houston möchte den Mexikanern ein wenig Bewegung verschaffen. Außerdem will er sie von unseren Flüchtlingen weglocken. Denkt daran, es sind wahrscheinlich auch eure Frauen und Kinder dabei. Ihr wollt sicher nicht, dass Santa Anas Soldaten sich um sie kümmern.«
    Zwei, drei Männer lachten, die meisten machten jedoch abwehrende Gesichter. Albert Poulain wischte sich sogar eine Träne aus den Augen. »Ich hoffe, Ihre Frau und Gertrude kümmern sich um meine kleine Cécile. Sie ist ja so allein, nachdem meine Charlotte gestorben ist.«
    »Sicher ist Cécile in guter Hut«, versuchte Walther, ihn zu beruhigen.
    Dann funkelte er die Männer auffordernd an. »Es soll keiner von euch denken, dass wir morgen vor Santa Ana fliehen. Ein preußischer General hat einmal gesagt, ein Krieg wird mehr mit den Stiefeln als mit den Musketen gewonnen. Wir werden Santa Anas Armee zuerst zermürben und dann in Stücke zerlegen.«
    »Was Sie sagen, hört sich ja gut an. Aber wenn ich noch lange marschieren muss, sind meine Stiefel durch und ich kann barfuß gehen«, beschwerte sich James Fuller.
    »Santa Anas Soldados besitzen keine Stiefel, sondern müssen barfuß marschieren. Denen tut jede Meile weitaus weher als uns!«
    Walther wollte damit eigentlich nur die eigenen Männer beruhigen, doch die lachten darüber wie über einen guten Witz, und Fuller ließ es sich nicht nehmen, den nächsten Kommentar abzugeben. »Ich sage Ihnen Bescheid, Colonel, wenn meine Stiefel hinüber sind. In dem Augenblick müssen wir kehrtmachen und Santa Ana verprügeln.«
    »Ich werde es General Houston mitteilen«, erklärte Walther trocken.
    »Bitte nicht! Der ist imstande und schenkt mir ein neues Paar, damit wir noch länger vor den Mexikanern davonlaufen können«, gab Fuller grinsend zurück und hatte die Lacher auf seiner Seite.

2.
    M it dem bitteren Gefühl, versagt zu haben, blickte Nizhoni auf den Erdhaufen, unter dem Giselas sterbliche Hülle lag. Aber der Verstand sagte ihr, dass sie nichts hätte ändern können. Selbst wenn sie und Gisela bei den anderen Flüchtlingen hätten bleiben können, wäre ihre Freundin bei der Geburt des Kindes gestorben.
    »Mögen die Geister deiner Ahnen dich willkommen heißen«, sagte sie leise und forderte Josef auf, eines der Gebete zu sprechen, die Gisela ihn gelehrt hatte. Der Junge tat es und klammerte sich dabei an ihr fest. Der Verlust der Mutter erschreckte ihn zutiefst, und er weinte bitterlich.
    Nizhoni wusste, dass sie sich nicht der Verzweiflung hingeben durfte, denn sie musste der Verantwortung gerecht werden, die Gisela ihr übertragen hatte. Dies hieß, dafür zu sorgen, dass auch der noch namenlose Junge überlebte. Zwar hätte sie selbst nichts für den Kleinen tun können, aber Josef hatte ihm eine kleine Chance gegeben, indem er die entlaufene Ziege gefunden hatte.
    Um nicht immer das Kind oder der Säugling sagen zu müssen, beschloss sie, das Neugeborene

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