Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
sind heute Abend meine Gäste. Trinken wir auf Mexiko und unseren Sieg!«
»Auf Mexiko!«, murmelte Ramón de Gamuzana.
Auf den Sieg wollte er erst dann trinken, wenn dieser errungen war. Doch ebenso wenig wie die anderen hegte er Bedenken, dass die bevorstehende Schlacht verloren gehen könnte. Sie verfügten über eine gut ausgebildete Armee, waren dem Feind mehr als doppelt überlegen und hatten nur Bauern ohne jede militärische Erfahrung gegen sich.
6.
D ie Texaner stellten in dieser Nacht doppelte Wachen auf, und diese weckten die Männer eine Stunde früher als sonst, um für einen Angriff der Mexikaner bereit zu sein. Doch zu ihrer Überraschung blieb alles still.
»Die wollen uns weichkochen«, knurrte James Fuller.
Thierry grinste ihn spöttisch an. »Dafür sind wir, glaube ich, ein bisschen arg zäh.«
»Wann werden sie kommen?«, wollte Albert Poulain wissen.
»Wenn du willst, gehe ich hinüber und frage Santa Ana, wann er gedenkt, seinen Arsch in den Sattel zu schwingen und den Angriff zu befehlen«, bot Thierry an.
»Kannst du nicht einen Augenblick ernst sein?«, beschwerte sich Poulain.
»Es wäre die einzige Möglichkeit, etwas zu erfahren. Aber ich weiß nicht, ob Santa Ana uns eine ehrliche Antwort geben würde.« Auch Walther versuchte, der Anspannung mit einer spöttischen Bemerkung Herr zu werden.
Nun lachte sogar Poulain. Dennoch empfanden alle das Warten als nervenaufreibend. Das Mittagessen nahmen die Männer mit den Musketen auf den Knien ein, bereit, die Teller jederzeit beiseitezustellen, sollte der Angriff erfolgen. Doch es ließ sich kein Mexikaner blicken.
Dafür kam Rudledge ins Lager und trat feixend auf Walther zu. »Das sollten Sie sich ansehen, Colonel. Nein, kein Pferd! Wir gehen lieber zu Fuß«, setzte er hinzu, als Walther seinen Sattelgurt festziehen wollte.
Walther nahm verwundert seine Büchse und folgte dem Scout, der mit ausgreifenden Schritten auf das mexikanische Lager zuhielt.
»Fällt Ihnen etwas auf?«, fragte Rudledge nach einer Weile.
»Nein! Was sollte mir auffallen?«
»Bis zu diesem Punkt sind wir auf keine Vorposten gestoßen. Dabei liegt das Lager nur noch wenige hundert Yards vor uns. Von jetzt an sollten wir in der Deckung der Büsche bleiben.« Der Scout grinste spitzbübisch, während Walther der Kopf schwirrte.
Vorposten waren wichtig, um die Sicherheit eines Lagers zu gewährleisten, und er konnte nicht glauben, dass Santa Ana darauf verzichtet hatte. Doch als er mit Rudledge hinter einem Busch Deckung suchte und sein Fernrohr auszog, entdeckte er keine einzige Wache. Stattdessen lagen die meisten mexikanischen Soldaten in ihren Zelten, wie durch ein paar offene Bahnen zu erkennen war, und ein paar hockten im Freien und schienen sich zu unterhalten.
»Was soll denn das?«, fragte Walther verwirrt.
»Die Herrschaften halten Siesta. Meinen Sie nicht auch, dass wir das Old Sam Houston sagen sollten?«
Walther begriff sofort, worauf Rudledge hinauswollte. Wenn sie jetzt angriffen, konnten sie die Mexikaner überraschen.
»Ich glaube, das sollten wir ihm mitteilen – und zwar sehr bald!« Obwohl Walther am liebsten losgerannt wäre, lösten sie sich vorsichtig vom mexikanischen Lager, um nicht entdeckt zu werden. Kaum aber waren sie weit genug weg, liefen sie so schnell, wie der Boden es erlaubte, auf ihr Lager zu.
Die anderen wunderten sich, sie so herbeistürmen zu sehen, und etliche sprangen in Erwartung eines feindlichen Angriffs auf. »Kommen die Mex?«, fragte ein Offizier und erhielt ein gepresstes »Nein!« zur Antwort.
Walther platzte in Houstons Zelt, ohne sich anmelden zu lassen, und fasste den General am Ärmel. »Die Mexikaner schlafen – und das ohne Vorposten! Es wäre die beste Gelegenheit zum Angriff!«
»Sind Sie sicher?« Houston konnte sich nicht vorstellen, dass der Gegner so unvorsichtig war, doch Rudledge bestätigte Walthers Meldung.
»Vom General bis zum Pferdejungen halten die Mexikaner ihre Siesta, und sie haben auf Wachtposten verzichtet.«
»Unmöglich!«, sagte Houston, obwohl er wusste, dass er sich auf Rudledge und Fichtner verlassen konnte.
Dann aber wurde seine Miene hart. »Rufen Sie alle Offiziere zusammen, Colonel. Es kann sein, dass wir uns blitzschnell entscheiden müssen.«
Walther nickte und verließ das Zelt. Zum Glück hatte die Neugier sämtliche Offiziere herbeigetrieben, und so konnte er Houston ihre Anwesenheit melden.
Der General trat ins Freie und stützte sich auf seinen
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