Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
einer Parade reiten«, sagte Walther spöttisch zu seinen Begleitern und reichte sein Fernrohr an Thierry weiter, damit dieser sich Santa Ana anschauen konnte.
James Fuller begann zu lachen. »Sam Houston sagte einmal, dass wir den Diktator unbedingt gefangen nehmen müssen, wenn wir Frieden haben wollen, und in dieser Uniform können wir ihn nicht übersehen.«
»Dann wollen wir hoffen, dass er sie anbehält.« Da sich eben ein Trupp Dragoner aus der Marschkolonne löste und in ihre Richtung ritt, winkte Walther seinen Begleitern, mitzukommen, und trabte zu ihrem Lager zurück.
Dort warteten die Männer bereits voller Neugier auf Nachrichten. »Was gibt es?«, hörte Walther jemanden rufen. »Ist Santa Ana endlich da?«
»Das ist er – und keine zwei Meilen entfernt«, rief Walther über das Lager.
»Und sie marschieren noch!«, setzte Thierry hinzu. »Kann sein, dass wir eine Gasse bilden müssen, um sie durchzulassen, wenn sie nicht zum Halten kommen.« Er lachte fröhlich, obwohl auch ihm bewusst war, dass der Kampf hart werden würde. Doch nach all den Wochen, die sie vor Santa Anas Armee hergezogen waren, schien auch ihm ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken, der endlos andauerte.
»Für unsere Freunde aus Alamo! Für Fannin und seine Männer aus Goliad!«, rief einer der Texaner. Der Ruf wurde von den anderen aufgenommen und hallte wie ein Echo durch das Lager.
Sam Houston schaute kurz aus seinem Zelt heraus und nickte zufrieden. Die Armee von Texas, die er zu Beginn als Sauhaufen bezeichnet hatte, hatte durch den langen Marsch zueinandergefunden und war nun bereit zum entscheidenden Kampf.
5.
A ntonio López de Santa Ana, Präsident und Oberbefehlshaber aller Truppen von Mexiko, blickte sich zufrieden zu seinen Begleitern um. »Señores, wir haben die Rebellen endlich eingeholt. Nun wird sie nichts mehr vor unserer Rache retten!«
»Eure Exzellenz, wir haben noch zwei Stunden Tageslicht. Sollen wir die Männer antreten lassen und diesen verfluchten Americanos noch heute das Lebenslicht ausblasen?«, fragte Ramón de Gamuzana.
»Nein! Unsere Männer sind zu müde und können die Americanos nicht so schnell verfolgen, wie die davonlaufen würden. Wenn uns zu viele von diesen Hunden entkommen, rotten sie sich wieder zusammen, und dieser Feldzug dauert noch länger.«
Gamuzana war mit dieser Auskunft nicht zufrieden, denn ihn drängte es, die texanischen Rebellen endlich zu vernichten. Da er Santa Ana jedoch kannte, wagte er keinen Widerspruch.
Auch einige andere Offiziere hätten sich einen sofortigen Angriff gewünscht. Dazu gehörten Capitán Velasquez, der seine Verletzung auskuriert hatte, und dessen neuer Stellvertreter. Beide hofften, sich im Kampf auszuzeichnen und damit die Schlappe, die Walther und seine Leute ihrem Trupp beigebracht hatten, ausbügeln zu können.
»Also greifen wir morgen an?«, fragte Velasquez.
Nach einem Blick über seine erschöpfte Armee schüttelte Santa Ana den Kopf. »Nein! Der Feind kann uns nicht mehr entkommen, also sollen die Männer sich ausruhen. Wir schlagen unser Lager so nahe an dem der Americanos auf, dass wir jederzeit angreifen können, wenn die Kerle Anzeichen machen, sich zurückzuziehen. Ich will sie zerquetschen!«
Der General machte eine entsprechende Geste und zeigte dann auf den Fluss. »Was ist das für ein Gewässer?«
»Das ist der Rio San Jacinto«, antwortete Ramón de Gamuzana, der sich in dieser Gegend am besten auskannte.
»Das, Señores, ist der Fluss, an dem wir Geschichte schreiben werden!«, erklärte Santa Ana. »In zwei Tagen wird niemand es mehr wagen, sich gegen den Präsidenten der Republik Mexiko zu erheben. Ich überlasse dieses Land hier eher den Komantschen, als noch einen einzigen nordamerikanischen Siedler darauf zu dulden.«
»Wir sollten Siedler aus dem Süden hierherbringen, aus Yucatán und Zacatecas, als Strafe für die Aufstände in diesen Provinzen«, schlug Gamuzana vor.
»Ein guter Gedanke! Ich werde mich zu gegebener Zeit daran erinnern«, lobte ihn Santa Ana und strich sich über seinen Schnurrbart.
Dann wurde seine Miene hart. »Señores, ihr seid mir dafür verantwortlich, dass unsere Armee übermorgen in voller Ordnung zur Schlacht antritt. Geben Sie aus, dass keine Gefangenen gemacht werden – außer einem! Ich will Sam Houston in die Ciudad de Mexico bringen und dort als Abschreckung für alle meine Feinde hinrichten lassen! Doch nun sollten wir das Lager beziehen. Meine Herren, Sie
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