Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
als der seine«, spottete Rudledge und äugte zu dem Tisch in Houstons Zelt hinüber, auf dem ein Becher und eine noch halb volle Flasche Whisky standen.
»Könnte ich vielleicht einen Schluck davon haben, so quasi als Medizin?«, fragte er.
Houston goss ihm eigenhändig ein und reichte ihm den Becher. »Das hast du dir verdient! Kannst du morgen wieder losreiten und die Mexikaner im Auge behalten? Ich möchte gewarnt werden, wenn Santa Ana seine Armee aus dem Marsch heraus zum Angriff antreten lässt!«
»Das wird er kaum tun«, meinte Rudledge zwischen zwei Schlucken Whisky. »Wie ich schon sagte: Seine Männer sind am Ende. Die werden froh sein, wenn sie am Abend ihr Lager aufschlagen können.«
»Vielleicht sollten wir sie angreifen, wenn sie kommen?«, schlug Walther vor.
Nach kurzem Überlegen schüttelte Houston den Kopf. »Seine Späher könnten ihm berichten, wenn wir uns zum Angriff formieren. Dann würde er sein Lager einige Meilen von uns entfernt beziehen, und damit ginge uns das Überraschungsmoment verloren. Wir bleiben hier und tun so, als wären wir tatsächlich fußwund.«
Walther salutierte und ging. Er fragte sich, ob der Vorwurf der Feigheit, der immer wieder gegen Houston erhoben wurde, nun der Wahrheit entsprach oder ob ihr General wirklich nur auf seine Chance lauerte. Auf jeden Fall war es wichtig, ihre Männer auf die entscheidende Auseinandersetzung vorzubereiten. Daher gesellte er sich zu einigen Offizieren, die erregt aufeinander einredeten.
Es waren Männer aus Louisiana, Mississippi, Alabama und Tennessee, deren Erfahrung bisher nur aus dem Kampf gegen Indianer bestand und die daher keine Vorstellung davon hatten, was es bedeutete, gegen ein in Schlachtreihe vorrückendes Regiment anzutreten.
Von diesen wurde Houston wegen seines Zauderns besonders heftig kritisiert. Zwar hatten sich die Männer freiwillig seinem Heer angeschlossen, doch sie waren keine Berufssoldaten, sondern wollten sich hier in Texas ansiedeln. Mit dem Land, das die neue Regierung großzügig verteilte, hofften sie, wohlhabende Bürger zu werden.
»Ich sage euch, wenn Houston diesmal nicht angreift, müssen wir ihn dazu zwingen!«, rief ein aus Alabama stammender Major.
»Die Jungs brennen darauf, den Mexikanern die Morde von Alamo und Goliad heimzuzahlen«, sagte ein anderer.
»Wir hätten Santa Anas Truppen längst verprügelt, wenn Houston uns nicht gezwungen hätte, vor ihnen davonzulaufen.«
In dieser Art ging es weiter, bis einer der Männer Walther ansah. »Was sagen Sie, Fitchner? Immerhin waren Sie in Waterloo dabei.«
»Santa Anas Truppen haben einen harten Wintermarsch durch Mexiko hinter sich und bei Alamo kräftig geblutet. Mittlerweile stecken ihnen noch mehr Meilen in den Knochen, und ich glaube, nun können wir ihrer Herr werden, obwohl sie doppelt so viele Köpfe zählen wie wir«, antwortete Walther.
»Das glauben wir auch. Aber was denkt er?« Der Sprecher wies dabei auf Houstons Zelt.
»Er ist sich des Sieges ebenso sicher wie ich, sonst hätte er uns keinen Ruhetag gegönnt, insbesondere nicht an einer Stelle, an der Santa Anas Armee uns innerhalb zweier Tage erreichen kann.«
Die Offiziere gaben sich mit dieser Auskunft zufrieden und wandten ihre Überlegungen den Mexikanern zu. »Wann, glauben Sie, werden die Kerle hier sein?«, fragte einer.
»Rudledge schätzt, sie werden noch heute vor der Abenddämmerung eintreffen. Wir sollten daher achtgeben, ob sie aus dem Marsch heraus zur Attacke antreten oder erst einmal Lager beziehen.«
Obwohl Walther nicht annahm, dass Santa Ana seine ermüdete Truppe sofort in den Kampf werfen würde, wollte er vorsichtig bleiben. Noch in derselben Stunde schickten sie deshalb weitere Scouts los, um die Mexikaner zu beobachten.
Auch Walther hielt es nicht im Lager. Er schwang sich aufs Pferd und ritt los, um sich die Mexikaner anzusehen. Thierry, Fuller, O’Corra, der junge Tobolinski und Scharezzani kamen mit ihm. Kurz darauf sahen sie Santa Anas Soldaten in Doppelreihen heranmarschieren. Die aus Dragonern gebildete Vorhut bot mit ihren Uniformen und Fahnen einen imposanten Anblick. Walther bemerkte jedoch durch sein Fernrohr, dass die einfachen Soldados, aus denen das Gros der Armee bestand, abgerissen und erschöpft wirkten. Der General hingegen, den er einen Augenblick lang mustern konnte, glänzte in einer prachtvollen Uniform mit gewaltigen Silbertressen und einem riesigen Zweispitz voller Federn.
»Der Kerl sieht aus, als würde er zu
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