Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Innern war noch immer alles so, wie Gisela und sie es verlassen hatten. Sie durchsuchte trotzdem den gesamten Raum, öffnete anschließend das gegenüberliegende Fenster und wandte sich dann zur Tür.
»Jetzt kannst du hereinkommen!«
Zu ihrer Verwunderung dauerte es einige Augenblicke, bis Josef erschien. In den Händen hielt er ein halbes Dutzend Eier, die er mit zufriedener Miene auf den Tisch legte. »Machst du mir jetzt Pfannkuchen?«
Nach den langen Tagen in der Prärie und dem, was diese ihnen als Nahrung geboten hatte, wollte der Junge wieder etwas essen, das ihm schmeckte.
Nizhoni sah ihn kopfschüttelnd an und rettete ein Ei, das vom Tisch zu rollen drohte. »Es war töricht von dir, in den Hühnerstall zu gehen. Es hätte jemand darin versteckt sein können! Einen solchen Fehler macht ein großer Krieger nicht.«
Da der Junge zu weinen begann, zog sie ihn an sich, um ihn zu trösten. »Es ist ja alles gutgegangen, und du bekommst auch deine Pfannkuchen. Aber vorher muss ich alles untersuchen. Du bleibst hier im Haus bei deinem Bruder!«
Nizhoni nahm den Säugling von ihrem Rücken und legte ihn ins Bett. Sofort kroch Josef zu dem Kleinen und streichelte ihn.
»Gib gut auf ihn acht!« Damit verließ Nizhoni das Wohnhaus und kümmerte sich erst einmal um ihre Stute und die Ziege. Die beiden mussten sich den Stall teilen, doch hatten sie sich aneinander gewöhnt.
Nachdem Nizhoni auch die Schuppen und beide Anbauten durchsucht hatte, kehrte sie ins Haus zurück und sah, dass beide Kinder süß und selig schliefen. Sie öffnete die Falltür zum Keller und fand die zurückgelassenen Vorräte in brauchbarem Zustand vor. Jetzt konnte sie tatsächlich Pfannkuchen backen, dachte sie erleichtert und fing auch gleich damit an.
Kaum zog der Duft des ersten Pfannkuchens durch den Raum, da hob Josef den Kopf und schnupperte. »Ist schon Zeit zum Abendessen, Mama?«, fragte er noch schlaftrunken, erinnerte sich dann daran, dass er seine Mutter niemals wiedersehen würde, und begann zu weinen.
Es kostete Nizhoni viele tröstende Worte und mehrere dick mit Marmelade und Honig bestrichene Pfannkuchen, bis der Junge sich wieder beruhigt hatte. Sie selbst aß ebenfalls mit gutem Appetit und holte später die Milch für den Kleinen. Da sie diese auf dem Herd ein wenig erhitzte und dann wartete, bis sie gerade trinkwarm war, schmeckte es dem Säugling besser als sonst, und sie konnte ihn, nachdem sie ihn neu gewickelt hatte, in eine Ecke des Bettes legen. Da es groß genug war, beschloss sie, mit den Kindern im Haus zu schlafen und nicht in ihrem kleinen Anbau, der für sie alle etwas eng war.
Während sie alles für die Nacht vorbereitete, fragte sie sich, was wohl aus Fahles Haar und seinen Männern geworden war. Hatten sie die Krieger des großen Häuptlings von Mexiko besiegen können, oder würde sie mit den beiden Kindern erneut fliehen müssen?
11.
E r hat unterschrieben!« Sam Houston klang zufrieden, denn damit hatte Antonio López de Santa Ana, Präsident und Oberbefehlshaber von Mexiko, Texas’ Abtrennung vom mexikanischen Staat akzeptiert.
»Ihm ist auch nichts anderes übriggeblieben«, antwortete Amos Rudledge grinsend. »Seine Armee ist zerschlagen, die seiner Generäle Cos und Urrea zu weit weg und auch nicht stark genug, um mit uns fertig zu werden. Außerdem hatte der Westentaschen-Napoleon Angst, wir Texaner könnten ihm einen soliden Strick um den Hals legen und ihn Höhenluft schnuppern lassen.«
Houston musste lachen, obwohl ihm nicht danach war. »Genau das können wir nicht tun, wenn wir die Anerkennung der zivilisierten Nationen gewinnen wollen. Man erweist dem Oberbefehlshaber eines geschlagenen Heeres die höchste Ehrerbietung und bedauert seine Niederlage sogar.«
»Jetzt weiß ich, weshalb der Ozean so salzig ist. Das kommt von den Krokodilstränen, die bei solchen Gelegenheiten vergossen werden.« Rudledges gute Laune konnte an diesem Tag nichts trüben.
Walther aber sprach Houston mit besorgter Miene an. »General, könnten ein paar meiner Männer und ich Urlaub haben? Wir wollen nach unseren Frauen suchen. Die letzte Nachricht, die wir erhalten haben, besagt, dass sie sich in einem der Flüchtlingstrecks befinden.«
»Um die Flüchtlinge sollten wir uns wirklich kümmern«, erklärte Houston und klopfte Walther auf die Schulter. »Das übernehmen Sie, Fitchner. Rudledge soll Sie als Scout begleiten. In dieser Gegend ist mit streifenden Karankawa-Banden zu rechnen.«
»Danke,
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