Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
General!« Walther salutierte und verließ Houstons Zelt so eilig, als käme es auf jede Minute an. Im Gegensatz zu ihm stiefelte Rudledge gemütlich hinter ihm her und holte ihn erst ein, als er die Männer bestimmte, die mitkommen sollten. Neben Thierry, der sich als Rachels Ehemann nicht hätte davon abhalten lassen, ihm zu folgen, waren dies Albert Poulain, der vor Sorge um seine Tochter Cécile fast verging, Thomé Laballe sowie Ean O’Corra, Leszek Tobolinski und Tonino Scharezzani.
Als sie die Pferde sattelten, wandte Walther sich an Rudledge. »Haben Sie eine Ahnung, wo unsere Leute sein könnten? Es bringt nichts, wenn wir jetzt nach Osten reiten und sie verfehlen.«
»Eine so große Zahl von Flüchtlingen können wir nicht so leicht verfehlen. Aber im Prinzip haben Sie recht. Wir sollten uns eher nordostwärts halten, dann treffen wir sicher auf ihre Spur. Weiter auf die Küste zu haben sie sich eher nicht gehalten, weil sie damit rechnen mussten, dort auf Santa Anas Streifscharen zu treffen.« Rudledge kannte das Land und nahm an, dass die Führer der Flüchtlinge genauso gehandelt hatten, wie er es in ihrer Situation getan hätte.
»Dann machen wir es so!« Entschlossen zog Walther den Sattelgurt stramm, schwang sich aufs Pferd und ritt an. Thierry und die anderen folgten ihm, während Rudledge sich an die Spitze setzte und das Tempo vorgab. Zwar verstand er die Sehnsucht der Männer, ihre Familien wiederzusehen, doch es konnte Tage dauern, bis sie diese fanden. Daher wäre es in seinen Augen Unsinn gewesen, die Pferde gleich zu Beginn zu sehr anzutreiben.
Dies akzeptierte Walther, auch wenn er sich wünschte, sie wären so schnell wie ein Vogel. Doch das hier war ein wildes Land, in dem sie nur gelegentlich auf eine verlassene Farm trafen. Bei manchen waren die Häuser und Schuppen niedergebrannt, bei anderen standen sie noch. Einzelne Hühner, Schweine und Rinder streiften frei herum. Rudledge erlegte bei der Gelegenheit ein Ferkel, das am Abend an den Bratspieß wanderte.
»Eigentlich ist das ja Diebstahl«, spottete Thierry, während er in den saftigen Braten biss.
»Diebstahl wäre es, wenn der Farmer noch hier wäre. Doch er hat seinen Besitz verlassen, ohne die Tiere mitzunehmen. Damit gehören sie dem, der hier vorbeikommt. Der Mann soll froh sein, dass wir nur dieses eine Ferkel essen und nicht auch noch seine Kühe mitnehmen«, antwortete Rudledge gelassen.
»Werden wir unsere Leute morgen finden?« fragte Albert Poulain ungeduldig.
Der Scout zuckte mit den Achseln. »Ich bin kein Prophet, sondern Jäger. Wenn wir Glück haben, stoßen wir morgen wenigstens auf ihre Spuren. Viel weiter nördlich können sie nicht gezogen sein.«
»Wenn wir nichts finden, müssen wir uns dann wieder Richtung Süden halten?«, schloss Walther daraus.
Rudledge schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt! Mindestens ein Flüchtlingstreck hat sich immer in der Nähe der Armee aufgehalten. Da wir zuletzt nach Süden marschiert sind, können sie noch weiter im Norden sein.«
»Aber wir können doch nicht die gesamte Prärie absuchen«, rief Poulain entsetzt.
»Das tun wir auch nicht. Wir reiten so lange im Zickzack, bis wir auf ihre Spur stoßen, und der folgen wir dann«, erklärte Rudledge.
Walther hielt sich aus dem Gespräch heraus und ließ seine Gedanken schweifen. Wie mochte es Gisela ergehen?, fragte er sich. Ihr Kind musste mittlerweile zur Welt gekommen sein. Der Gedanke, dass sie mit dem Neugeborenen den Gefahren eines Flüchtlingszuges ausgesetzt war, erschreckte ihn, und er wäre am liebsten die Nacht hindurch geritten, um so rasch wie möglich bei ihr zu sein. In der Dunkelheit würden sie jedoch die Spur des Trecks übersehen und in die Irre reiten. Außerdem brauchten sowohl die Pferde wie auch die Männer Ruhe.
»Wir brechen morgen auf, sobald wir etwas gegessen haben«, versuchte er, Poulain und auch sich selbst zu beruhigen. »Ein Mann hält in der Nacht Wache. Er wird alle zwei Stunden abgelöst.«
Es ist besser, an das zu denken, was getan werden muss, als sich in Sorgen und Ängsten zu verlieren, sagte Walther sich und bestimmte für Thierry die erste und für sich selbst die letzte Wache.
Rudledge nickte zustimmend, denn er hätte es nicht anders entschieden. »Wir stehen im Morgengrauen auf und reiten los, sobald jeder einen Becher Kaffee und einen Pfannkuchen im Bauch hat«, sagte er, nahm seine Büchse und wickelte sich nahe bei den Pferden in eine Decke.
»Ich glaube, das ist
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