Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
auch von dem Massaker von Goliad gehört. Sogar die Nachricht von Santa Anas Niederlage am San Jacinto River war bis zu ihnen gedrungen. Die Niederlage der Mexikaner hatte ihrer Treue zu Walther jedoch keinen Abbruch getan.
Julio zeigte ihm nun die Rinder und die Mustangs und stellte ihm die neuen Vaqueros vor. Die meisten waren Mestizen, einer aber ein Schwarzer, den sein Herr als Sklave ins Land gebracht und hier freigelassen hatte.
Da die Nordamerikaner seinesgleichen verachteten, war der Mann besorgt, wie Walther ihn empfangen würde. Dieser reichte ihm jedoch genauso wie den anderen die Hand und lobte alle, weil sie so gut auf seine Herden geachtet hatten.
»Wir leben in unruhigen Zeiten, und ich weiß nicht, wann ich wieder genug Geld habe, um euch Lohn zahlen zu können. Aber ihr werdet nicht hungern müssen und auch sonst alles erhalten, was ihr braucht«, sagte er, als sich alle um ihn versammelt hatten.
»Das wissen wir, Señor! Deshalb arbeiten wir auch gerne für Sie«, erklärte Julio als Vormann der Vaqueros. »Wenn Sie uns brauchen, rufen Sie uns. Wir stehen zu Ihnen, gleichgültig, gegen wen es geht.«
»Danke!« Walther winkte dem knappen Dutzend Männern zu, die nun in seinen Diensten standen, und schwang sich wieder aufs Pferd. »Ich will heute noch zu Thierry Coureurs Farm. Da fällt mir etwas ein: Ich sehe Pepe nicht. Ihm ist hoffentlich nichts passiert?«
Quique grinste. »Nein, Señor, ihm geht es gut. Er befindet sich bei unserem Wagen, um für uns zu kochen. Ich glaube, er wird froh sein, wenn er wieder zur Hacienda zurückkehren kann. Allerdings verlieren wir mit ihm einen guten Koch.«
»Wir werden jemanden finden, der sowohl reiten wie auch kochen kann«, versprach Walther und verabschiedete sich.
Als er weiterritt, fühlte er zum ersten Mal, seit er von Giselas Tod gehört hatte, eine gewisse Erleichterung. Sein Werk, das auch das ihre war, existierte noch, und ihre beiden Söhne würden es weiterführen. Dieses Vermächtnis seiner Frau wollte er in Ehren halten. Gleichzeitig begriff er, dass er auf Dauer nicht als Witwer leben konnte. Die Kinder brauchten eine Mutter und er jemanden, der sich um Haus und Hof kümmerte.
2.
B ei Thierrys Farm waren die Arbeiten gut vorangekommen. Der Normanne, der sich nun als Texaner bezeichnete, war froh darum, denn er wollte seine Frau so rasch wie möglich wieder zu sich holen.
Zu Walthers Überraschung zog ihn sein Freund ein wenig beiseite. »Du bist – oder besser gesagt warst – ein verheirateter Mann und weißt Bescheid. Was meinst du, wie lange kann man einer schwangeren Frau noch beiwohnen? Ich habe Rachel so lange vermisst und würde mich freuen, wenn …« Verlegen brach Thierry ab.
Nachdenklich sah Walther ihn an. »Es wird vielleicht noch einen Monat gehen. Aber du wirst sehr vorsichtig sein müssen, damit weder deine Frau noch das ungeborene Kind zu Schaden kommen.«
»So lange noch?« Thierry atmete auf. »Danke! Sei versichert, ich werde achtgeben.«
»Das weiß ich doch!«, antwortete Walther und blickte wieder zur Farm hinüber. »Meine Vaqueros haben einige Rinder von geflohenen mexikanischen Siedlern eingefangen. Du kannst ein paar davon haben.«
»Danke!« Thierry reichte ihm die Hand. Der mexikanische Bedienstete, den er gehabt hatte, war davongelaufen, und ihm war klar, dass der Mann ihn nicht zuletzt wegen Rachels ständigen Beleidigungen im Stich gelassen hatte. In der Hinsicht würde sie sich ändern müssen.
Nun aber sprach er etwas anderes an. »Übrigens will unser Freund Lucien heiraten.«
»Hat er endlich eine Braut gefunden?«, fragte Walther mit dem Anflug eines Lächelns.
»Rachels nächstjüngere Schwester! Sie ist nicht ganz so hübsch wie meine Frau, aber arbeitsam, und sie will keinen Hungerleider heiraten.«
»Das ist zu verstehen.« Zwar hielt Walther weder viel von Moses Gillings noch von dessen Töchtern, aber er war froh, dass Lucien endlich eine Frau gefunden hatte.
»Übrigens, wenn du daran denken solltest, wieder zu heiraten: Mein Schwiegervater hat noch sieben Töchter zu Hause. Zwar scharwenzeln bereits ein paar Bewerber um die Mädchen herum, aber die stichst du mit Leichtigkeit aus.«
»Derzeit denke ich noch nicht daran. Die Trauer um Gisela sitzt noch zu tief.« Dabei wusste Walther, dass er nicht sehr lange warten durfte, eine Frau in sein Haus zu holen. Das Aussehen war ihm gleichgültig. Sie musste nur tüchtig sein und für die Kinder sorgen. Aber eine Schwester von Rachel
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