Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
kam ganz bestimmt nicht in Frage. Zwei von Moses Gillings’ Töchtern waren für das French Settlement mehr als genug.
»Zu lange solltest du nicht warten«, mahnte ihn Thierry. »Es strömen immer mehr Menschen nach Texas. Die meisten davon sind Männer, und so wird mein Schwiegervater seine Töchter bald loswerden.«
»Kann ich noch etwas für dich tun?«, fragte Walther, um das Thema zu wechseln.
Thierry schüttelte zuerst den Kopf, hob dann aber in einer unbewussten Geste die Hand. »Eines vielleicht! Ich könnte einen oder zwei Mustangs brauchen. Die sind für die Feldbestellung zwar lange nicht so gut geeignet wie ein schweres Kaltblut, aber besser als der Ochse, den wir uns geteilt haben. In der Not frisst der Teufel nicht nur Fliegen, sondern ackert auch mit einem Mustang.«
»Willst du damit sagen, dass du der Teufel bist?«, fragte Walther mit leichtem Spott.
»Das natürlich nicht!«, antwortete Thierry lachend. »Irgendwann bekommen wir sicher richtige Zugpferde, spätestens dann, wenn wir uns den Vereinigten Staaten anschließen.«
»Ich werde mit Houston reden! Er soll für einen Beitritt die Bedingung stellen, dass du zwei schwere Kaltblüter bekommst.«
Das Gespräch mit Thierry tat Walther gut. Zwar war seine Trauer um Gisela tief, aber er fühlte, dass das Leben weitergehen musste.
Er verabschiedete sich und ritt zu Poulains Farm weiter. Da Cécile bei Gertrude auf seiner eigenen Farm geblieben war, traf er Albert Poulain allein mit einem Knecht an. Der Mann war ein Nordamerikaner und neu in der Gegend. Walther kannte ihn nicht, grüßte aber freundlich und fragte dann seinen Nachbarn, ob er helfen könnte.
»Das wäre nicht schlecht«, erklärte Poulain. »Vielleicht könnten wir gemeinsam den Firstbalken setzen. Ich wollte eigentlich morgen zu Beluzzi reiten und diesen um Hilfe bitten. Aber dessen Leute haben auch viel Arbeit. Du kannst von Glück sagen, dass deine Farm noch steht. Andere Farmen wurden entweder von den Besitzern bei der Flucht angezündet oder später von Indianern oder Mexikanern niedergebrannt.«
Es schwang kein Neid in Poulains Worten, denn er war froh, dass seine Tochter ein Dach über dem Kopf hatte, bis sein eigenes Haus fertig war.
Walther klopfte ihm auf die Schulter und packte dann mit an. Die Arbeit war hart, doch gemeinsam gelang es ihnen, den Firstbalken auf den Dachstuhl zu wuchten und mit acht Zoll langen Nägeln zu befestigen. Darüber wurde es Abend, und Walther beschloss, bei Poulain zu übernachten. Noch hausten dieser und sein Knecht in einem Zelt, doch sie rückten gerne etwas zusammen, um ihm Platz zu machen.
Als sie schließlich im Licht der ersten Sterne zusammensaßen und Poulain an seiner Pfeife sog, wandte er sich nachdenklich Walther zu.
»Wir beide sind in derselben Lage. Unsere Frauen sind gestorben, aber wir haben Kinder, du zwei und ich meine Cécile. Sie ist jetzt gerade in dem Alter, in dem sie eine Mutter braucht. Daher werde ich wohl wieder heiraten müssen, auch wenn es mir ein wenig wie Verrat an meiner Charlotte vorkommt.«
»Es ist vernünftig, wenn du wieder heiratest. Cécile ist zwar ein aufgewecktes Mädchen, aber noch zu jung, um die Mutter zu ersetzen«, stimmte Walther ihm zu.
»Und du? Wirst du auch wieder heiraten?«, fragte Poulain.
Walther atmete tief durch, bevor er Antwort gab. »Es wird wohl sein müssen. Josef und der Kleine brauchen jemanden, der sich um sie kümmert.«
»Du hast zwei Söhne. Ich wünsche mir auch einen!« Jetzt klang Poulain doch ein wenig neidisch, winkte dann aber ab. »Was nicht ist, kann noch kommen. Hast du schon jemanden im Auge?«
»Nein!«
»Thierrys Rachel hat noch acht Schwestern. Wäre nicht eine von denen etwas für dich?«
»Ich glaube nicht, denn die sind alle noch sehr jung«, wich Walther einer direkten Antwort aus.
»Das sind sie. Allerdings sind die meisten von ihnen im heiratsfähigen Alter, und Gillings will sie nur an Männer mit Besitz vermählen. Ich glaube nicht, dass du vergebens an seine Tür klopfen würdest.«
Poulains Drängen wurde Walther fast zu viel. Er fragte sich schon, ob Thierry den Nachbarn gebeten hatte, ihm eine von Rachels Schwestern schmackhaft zu machen. Wenn das auch bei anderen Nachbarn der Fall war, durfte er sich in den nächsten Wochen noch so einiges anhören. Da war es vielleicht besser, bald eine Entscheidung zu treffen. Doch vorher musste er noch etwas anderes erledigen.
»Ich werde in den nächsten Tagen nach Washington-on-the-Brazos
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