Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
diktierte gerade seinem Sekretär einen Brief.
Als er Walther eintreten sah, stand er auf und eilte ihm entgegen. »Freut mich, Sie zu sehen, Fitchner! Das mit Ihrer Frau tut mir leid. Es müssen immer die Besten gehen. Kann ich Ihnen etwas anbieten, einen Whisky vielleicht?«
Ohne auf eine Antwort zu warten, nahm Houston ein Glas, füllte es und reichte es Walther.
Dieser nahm es und stieß mit ihm an. »Auf Ihre Gesundheit!«
»Auf Texas!«, antwortete Houston und wies auf einen Stuhl in der Ecke. »Nehmen Sie sich das Ding. Burton, schreiben Sie den Brief fertig, und legen Sie ihn mir anschließend zur Unterzeichnung vor. Und was kann ich für Sie tun, Fitchner?«
Walther holte die Urkunden und Aufzeichnungen aus der Tasche, die seinen Besitz und den seiner Nachbarn beschrieben, und legte sie auf den Tisch.
»Wir wollen unsere Landrechte endgültig eintragen lassen, ebenso wie die, die wir für unsere Zeit bei der Armee bekommen haben.«
»Sie vergessen die Prämie, die der Staat Texas jedem Teilnehmer an der Schlacht am San Jacinto River gewährt. Ach so, die kennen Sie noch nicht! Das wurde von den Abgeordneten beschlossen. Übrigens soll bald ein richtiger Präsident gewählt werden. Ich nehme an, dass ich Chancen auf den Posten habe.«
Houston lächelte etwas selbstverliebt, nahm dann aber Walthers Urkunden zur Hand und sah sie durch. Gelegentlich verglich er die Lage der einzelnen Besitzungen mit der Karte, die noch von Ramón de Gamuzanas Landvermessern stammte, und machte sich ein paar Notizen.
»Der gute Gamuzana war bei seiner Landverteilung ein wenig großzügiger, als Austin es sein konnte. Jeder von euch hat das Fünffache an Land bekommen wie dessen Leute. Bei Ihnen sieht es noch ganz anders aus. Ihnen gehört ein gewaltiges Stück Land am Colorado River. Mit dem, was Ihr mexikanischer Freund Jemelin Ihnen vererbt hat, dürften Sie einer der größten Grundbesitzer in Texas sein. Meinen Glückwunsch!«
Houston reichte Walther die Hand und schob dann die Unterlagen seinem Sekretär zu. »Burton, Sie kümmern sich darum, dass alles seine Ordnung hat!«
»Selbstverständlich, General!«
Während der Mann verschwand, schenkte Houston sich und Walther noch einmal nach und sah dann auf einmal sehr nachdenklich drein. »Die Ratten kriechen wieder aus ihren Löchern.«
»Wie bitte?«
»Entschuldigung, ich habe nur laut gedacht!« Houston verzog kurz das Gesicht und sah dann Walther direkt in die Augen.
»Spencer und Shuddle sind wieder aufgetaucht und fordern ihre Landrechte ein.«
Während der letzten Monate hatte Walther den Mörder von Giselas Mutter und Jakob Schüdle vollkommen vergessen. Nun aber erinnerte er sich wieder an die beiden und zog eine so angewiderte Miene, dass Houston lachen musste.
»Tut mir leid, dass ich Sie damit überfallen muss. Aber die Kerle haben Papiere, die ordnungsgemäß ausgestellt sind. Unsere bisherige Verwaltung war in dieser Beziehung zu leichtfertig und hat ihnen Landrechte übertragen, ohne abzuwarten, ob Spencer und Schüdle ihren Teil der Vereinbarung erfüllen. Ich würde die Kerle ja gerne zum Teufel jagen, aber wir können uns nicht leisten, dass es heißt, texanische Landschenkungen seien das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben stehen!« Houston war ziemlich laut geworden, fasste sich aber rasch wieder und zwinkerte Walther zu.
»Ich habe den beiden erklärt, sie könnten sich zwischen dem Frio und dem Nueces River ansiedeln, aber das war den Herren zu nahe an Mexiko. Sie wollen ihr Land in sicherer Lage haben. Darum schätze ich, dass sie sich entweder Hernando de Gamuzanas Hacienda bei San Felipe de Guzmán unter den Nagel reißen wollen oder aber den südlichen Teil des Gebiets, das Ramón de Gamuzana verteilt hat. Sagen Sie den mexikanischen Siedlern dort, dass die texanische Regierung ihre Landrechte anerkennen wird. Und noch etwas: Sollten Spencer und Shuddle dort auftauchen, dann jagen Sie sie zum Teufel. Mir sind die Mexikaner hier in Texas als Farmer lieber, als wenn sie von solchen Schurken von ihrem Land vertrieben werden und zu Banditen werden, die sich an uns Texanern rächen wollen.«
»Das glaube ich Ihnen gerne!« Walther sah es als eine große Gefahr an, dass die neu hinzuströmenden Nordamerikaner versuchen könnten, die alten mexikanischen Landbesitzer zu verdrängen, anstatt selbst jungfräuliches Land zu besiedeln. Im alten Siedlungsgebiet Ramón de Gamuzanas würde er es auf jeden Fall zu verhindern wissen. Dies
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