Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
rührte Gertrude. Sie füllte einen Becher mit dem Kräutertee, der von Pflanzen stammte, die Nizhoni gesammelt hatte, und stellte ihn auf den Tisch. »Hier ist etwas Heißes zu trinken, Walther. Es wird dir guttun!«
»Danke!« Walther setzte sich und musterte die Frau nachdenklich. Sie war keine Schönheit und auch nicht mehr ganz jung, aber sie wusste, wie es hier im Grenzland zuging, und konnte einen Farmhaushalt ebenso führen wie sich um Stall und Garten kümmern. Allerdings war sie Katholikin, und es mochte sein, dass sie die Scheidung, die ihr Mann erwirkt hatte, für sich als ungültig ansah und keine andere Ehe eingehen würde. Er beschloss, dieses Problem erst einmal zu verschieben, und holte die Besitzurkunden heraus, zu denen Sam Houston ihm verholfen hatte.
»Es wird dich freuen, Gertrude, dass dein Landbesitz nun endgültig eingetragen ist, und zwar in voller Größe, genauso, wie Hernando de Gamuzana es dir für den Fall versprochen hat, dass dein Mann sich mit dir hier ansiedeln würde.«
Den Hinweis auf Jakob Schüdle hätte er unterlassen sollen, das erkannte Walther sofort an ihrer herben Miene. Dennoch reichte er ihr das Dokument und wog dann die restlichen in der Hand.
»Ich glaube, es ist das Beste, wenn ich morgen zu unseren Freunden reite und ihnen ihre Urkunden vorbeibringe«, sagte er mehr für sich selbst als für die beiden Frauen und Cécile gedacht.
»Sie werden sich darüber gewiss freuen«, erklärte Gertrude, während Nizhoni stumm weiterarbeitete.
Seit Walther aus der Armee zurückgekehrt war, fühlte sich die junge Indianerin unsicher. Schon bald, so sagte sie sich, würde Fahles Haar sich wieder ein Weib nehmen, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie mit dieser auch nur annähernd so gut auskommen würde wie mit Gisela. Gertrude war ziemlich harsch, würde sie aber nicht schlecht behandeln, doch in den Augen einer Frau wie Rachel würde sie immer eine Sklavin sein, die man nach Belieben beleidigen und verletzen konnte.
Aber was sollte sie tun? Zu ihrem Volk konnte sie nicht mehr zurück, und zu Po’ha-bet’chys Komantschen zog sie nichts. Außerdem durfte sie die Söhne ihrer besten Freundin nicht im Stich zu lassen. Dem Kleinen hatte Walther noch keinen Namen gegeben, und das kränkte sie. Ihn dazu aufzufordern, wagte sie jedoch nicht.
Nach einer Weile hielt Walther es im Haus nicht mehr aus. »Es ist noch nicht so spät. Daher werde ich sogleich losreiten und entweder bei Thierry oder Albert Poulain übernachten.«
Niemand antwortete ihm. So überkam ihn das Gefühl, in seinem eigenen Hause überflüssig zu sein, und er verließ es ohne Gruß.
Kurz darauf hörten Nizhoni und die anderen, wie er fortritt. Gertrude schüttelte seufzend den Kopf. »Seit Giselas Tod ist er nicht mehr derselbe.«
»Sein Schmerz sitzt tief, denn Gisela war nicht nur sein Weib, sondern ein Teil seiner selbst«, sagte Nizhoni leise.
»Trotzdem muss er seine Trauer überwinden. Er ist kein einfacher Farmer, sondern der Mann, auf den alle Siedler in dieser Gegend schauen«, erklärte Gertrude, wusste jedoch nicht, was sie daran ändern konnte.
Den beiden Frauen blieb nicht die Zeit, länger über Walther nachzudenken, denn erneut klang Hufschlag auf. Als Gertrude zur Tür hinaustrat, entdeckte sie Father Patrick. In dessen Begleitung befand sich Albert Poulain.
»Guten Abend!«, grüßte sie. »Ihr seid zwei seltene, aber willkommene Gäste.«
»Weißt du, Gertrude, ich … äh … mmmh … Hochwürden Patrick ist zufällig bei meiner Farm vorbeigekommen, und da sind wir ins Reden gekommen und … äh … mmmh … haben dann gedacht, wir schauen mal zusammen hier vorbei!« Poulain hatte etwas Mühe mit seiner Rede und sah den Priester bittend an.
Dieser legte ihm den Arm auf die Schulter und lächelte. »Wolltest du nicht mit deiner Tochter sprechen, mein Sohn?«
»Äh … mmmh … Ja, das wollte ich«, brachte Poulain heraus und wandte sich dann an Cécile, die mit Josef im Hof spielte. »Komm, wir beide gehen ein wenig spazieren.«
»Darf Joe auch mit?«, fragte das Mädchen.
»Wer? Äh … der Junge? Natürlich!« Poulain nahm Cécile und Josef bei der Hand und führte die beiden vom Haus weg.
Gertrude sah ihnen kopfschüttelnd nach. »Der gute Albert hört sich ja fast so an, als hätte er etwas ausgefressen.«
»Aber nein, das hat er nicht!«, beruhigte der Priester sie. »Wir haben uns nur eine Weile unterhalten, und dabei ging es auch um dich, meine
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