Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
hat.«
»Wer ist auch so verrückt, sich beim Saufen mit dir messen zu wollen?«, fragte ein Mann lachend.
Unterdessen nahm Bowie eine der Büchsen an sich, prüfte sie und nickte zufrieden. »Ausgezeichnete Arbeit! Wenn ich nicht schon ein ebenso gutes Gewehr hätte, würde ich es mir kaufen.«
Er wandte sich Walther zu. »Was meinen Sie?«
»Um zu wissen, wie gut eine Waffe wirklich ist, muss man damit geschossen haben. Was nützt ein gutes Schloss und ein blank polierter Kolben, wenn der Lauf nicht gerade ist?«
Bowie blickte kurz den Lauf entlang. »Der ist gerade! Wie soll die Sache ablaufen? Eigentlich bin ich es ja gewohnt, mit dem Messer zu kämpfen, aber ich kann auch mit einer Büchse umgehen.« Dabei grinste er so fröhlich, als wäre es für ihn der größte Spaß, Leute zu verletzen oder umzubringen.
»Ihr könnt aus jeder Büchse einen Probeschuss abfeuern. Danach schießt ihr abwechselnd auf die Zielscheibe am jeweiligen Baum!«, erklärte der Ladenbesitzer.
»Gut!« Ohne weitere Fragen lud Bowie das erste Gewehr, legte an und entschied sich für die Schießscheibe am rechten Baum. Als der Schuss knallte, schlug die Kugel in den äußersten Rand des handtellergroßen Zieles ein.
»Nicht übel für den ersten Schuss«, meinte er und nahm die zweite Waffe. Mit ihr traf er noch besser, und auch sein dritter Schuss schlug in die Scheibe ein.
»Jetzt sind Sie dran, Mister«, forderte Bowie Walther auf.
Dieser schüttelte seine Befangenheit ab, lud die erste Büchse sorgfältig und richtete sie auf den linken Baum. Im letzten Augenblick senkte er den Lauf jedoch ein wenig und zielte auf ein Blatt, das etwa so groß war wie die Scheibe. Als er schoss, lachten einige der Männer, denn die Scheibe blieb unverletzt. Walther sah dem Blatt nach, das vom Wind getragen davonsegelte, und war zufrieden. Auch bei den Probeschüssen mit den beiden anderen Büchsen verfehlte er für die Zuschauer die Scheibe, traf aber seine ins Auge gefassten Ziele. Ob er besser war als Bowie, konnte er nicht feststellen. Auf jeden Fall aber war er nicht schlechter.
»Na, wie wäre es mit einer Wette?«, fragte einer.
»Ich wette auf Bowie!«, klang es zurück.
»Ich auch«, »Ich auch«, »Ich auch«, erscholl es von allen Seiten.
»Wettet keiner auf diesen Mister?«, fragte Jack und zeigte dabei auf Walther.
»Welche Quote bietet ihr?«, fragte ein Mann.
»Zwei zu eins!«
»Ist mir zu wenig!« Der andere steckte die Börse, die er bereits aus der Tasche geholt hatte, wieder zurück.
»Drei zu eins«, bot einer an, doch der Mann schüttelte den Kopf.
»Vier zu eins, fünf zu eins?«, riefen zwei Männer.
»Also gut! Ich setze zehn Dollar auf den Fremden!« Der Sprecher reichte Jack, der als Buchmacher auftrat, das Geld. Auch die anderen steckten ihm nun ihre Münzen zu.
Gisela überlegte. Eigentlich hätte sie jetzt gehen und im Zimmer auf den Ausgang des Wettschießens warten müssen, denn es gehörte sich nicht für eine Frau, bei einer solchen Angelegenheit zu gaffen. Doch dazu war sie nicht bereit. Unwillkürlich griff sie unter ihr Kleid zu dem kleinen Beutel, in dem einige Münzen steckten. Walther hatte sie ihr gegeben, damit sie beim Einkaufen nicht auf ihn angewiesen war. Obwohl sie noch ein paar Dinge dringend benötigte, zog sie das Geld heraus, zählte es und reichte es Jack.
»Das sind zwanzig Pesos. Ich setze sie auf meinen Mann.«
»Ich setze zwanzig Dollar auf Walther!«, rief jetzt Thierry. »Zwar habe ich sie nicht, aber wenn er verliert, werde ich einen Monat für meinen Wettgegner arbeiten.«
»Ich setze dagegen!« Moses Gillings, der Farmer mit den vielen Töchtern, zwinkerte Thierry zu und sagte sich, dass er ein gutes Geschäft machen würde. Da Jim Bowie als guter Schütze bekannt war, glaubte er an dessen Sieg. Damit aber würde er für einen Monat einen willigen Arbeiter bekommen und die Gelegenheit, diesem seine älteste Tochter Rachel schmackhaft zu machen.
Für Walther wurde die Hoffnung seiner Frau und seines Freundes, die nun auf ihm lastete, fast zu groß. Als Farmer konnte Thierry es sich nicht leisten, seinem Besitz einen ganzen Monat fernzubleiben. Außerdem würde er bei einer Niederlage nicht nur die fünfzig Dollar Aufpreis, sondern auch Giselas zwanzig Pesos verlieren.
Doch als Jack Bowie ihn aufforderte, die erste Büchse zur Hand zu nehmen und zu laden, wurde er mit einem Mal ganz ruhig. Er brauchte etwas länger als sein siegessicherer Gegner und überließ diesem den
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