Der weiße Stern: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Josef in Sicherheit bringen und dann mit der Waffe in der Hand für sein Recht kämpfen. Bei dem Gedanken lachte er bitter auf. Jetzt war er schon genauso weit wie William Barret Travis oder Sam Houston, der ehemalige Gouverneur von Tennessee, die vorhatten, Texas von Mexiko zu lösen und den Vereinigten Staaten anzuschließen.
Noch während er feststellte, dass er selbst schon den Namen dieser Provinz wie ein Amerikaner aussprach und sich auch bereits als Texaner bezeichnet hatte, als sei er ein Separatist, betrat ein neuer Gast die Cantina. Er trug einen arg strapazierten, dunkelgrauen Anzug und einen grauen Hut. Auffällig war sein bleiches, ausgezehrtes Gesicht. Jetzt wankte der Mann auch noch. Gleichzeitig schüttelte ihn ein Hustenanfall, so dass er sich am Türrahmen festhalten musste.
Die Mexikaner in der Cantina sahen ihm abweisend entgegen, und der Wirt wirkte ganz so, als wolle er ihn vor die Tür setzen. Da wurde Walther auf den Mann aufmerksam und eilte zu ihm hin. »Mister Austin! Welch eine Freude, Sie zu sehen.«
Austin wischte sich den Mund mit einem Taschentuch ab und drehte sich dann zu Walther um. »Mister Fitchner! Die Freude ist ganz meinerseits. Ich bin sehr froh, Sie zu treffen. Ich fühle mich schwach und würde mich freuen, wenn Sie mich nach Hause begleiten könnten.«
»Das mache ich gerne. Aber kommen Sie! Sie müssen etwas trinken. Auch sehen Sie nicht so aus, als hätten Sie die letzte Zeit der Völlerei gefrönt.«
Austin verzog schmerzhaft das Gesicht. »Dieser Sünde habe ich mich wahrlich nicht hingegeben! Aber das war Umständen geschuldet, über die ich hier nicht sprechen will.«
Da Austins Blick dabei über die anwesenden Mexikaner streifte, begriff Walther, was er damit meinte. Seine Worte waren nicht für Leute gedacht, die womöglich auf Santa Anas Seite standen.
Mit einem aufmunternden Lächeln führte Walther Austin an seinen Tisch, bestellte etwas zu essen und zu trinken und wünschte sich, sofort aufbrechen zu können, um von Austin zu erfahren, was dieser in den letzten beiden Jahren erlebt hatte. Der Siedlerführer war jedoch viel zu schwach, um San Felipe de Guzmán noch am selben Tag verlassen zu können. Auch war seine Lunge angegriffen, denn er hustete immer wieder stark.
»Soll ich einen Arzt rufen?«, fragte Walther, obwohl er nicht einmal wusste, ob es hier einen Mediziner gab.
Austin schüttelte den Kopf. »Nein! Ich wurde bereits untersucht, als man mich freiließ. Aber wie gesagt, davon später.«
»Trinken Sie einen Schluck!« Walther füllte Austins Glas und nötigte ihn, es zu leeren. Es gelang ihm auch, den Kranken dazu zu bewegen, ein paar Löffel Chili zu essen, den die Tochter des Wirts schließlich brachte.
»Sie sehen aus, als hätten Sie einiges erlebt!«, erklärte Walther, und ihm wurde klar, dass auch er Austin einiges zu erzählen hatte. »Wir sollten noch ein paar Tage hierbleiben, damit Sie sich erholen können«, schlug er vor.
»Wir werden reisen, sobald Sie Ihre Angelegenheiten erledigt haben«, antwortete Austin. »Ich will so rasch wie möglich nach Hause. Warten Sie auf einen neuen Siedlertreck?«
»Nein! Das Gamuzana-Gebiet gilt als vollständig besiedelt.«
Noch während er es sagte, verzog Walther das Gesicht. Im Grunde fehlte noch ein gutes Viertel der Farmer, die dort hätten angesiedelt werden sollen. Die mexikanischen Behörden nahmen es jedoch bei einem Empresario aus ihren eigenen Reihen nicht so genau, auch wenn dieser das frei gebliebene Land nach Lust und Laune verteilte. Er selbst zählte zu den Gewinnern dieses Betrugs, denn der letzten Eintragung zufolge besaß er mittlerweile das Fünfzehnfache an Land, das ein normaler Siedler erhalten hatte. Diego Jemelin war als Einheimischer mit zwanzig Siedlerstellen sogar noch bessergestellt. Auf die Weise konnten sie das Land kaum voranbringen, dachte Walther, insbesondere dann nicht, wenn Männer wie Capitán Velasquez die Siedler um die Früchte ihrer Arbeit brachten.
Da weder er noch Austin an diesem Ort darüber sprechen konnten, was sie wirklich bewegte, schwiegen sie sich die meiste Zeit an. Auf einmal entstand Unruhe unter den Gästen der Cantina. Als Walther aufblickte, sah er Hernando de Gamuzana auf sich zukommen. Als der Alcalde Austin neben ihm bemerkte, hob er zwar die Augenbrauen, grüßte aber freundlich.
»
Buenos días,
Señores. Mister Austin, ich freue mich, Sie wieder in Freiheit zu sehen! Mag es ein Zeichen sein, dass der Geist der Verfassung
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