Der weite Himmel: Roman (German Edition)
entschlossenen Gesichtsausdruck sah, seufzte er resigniert. »Okay, wir machen es gemeinsam. Ich möchte aber, daß du für ein paar Minuten ins Haus gehst, Will. Ich muß nach den Pferden sehen. Ich …«
»Um Gottes willen!« Ihr eigener Jammer trat in den Hintergrund, als sie daran dachte, wie Adam zumute sein mußte.
»Daran hab’ ich überhaupt nicht gedacht. Komm mit, beeil dich.«
Statt zum Haus zurückzugehen, rannte sie mit ihm zum Pferdestall, erfüllt von der nagenden Angst, auch hier mit dem scheußlichen Gestank des Todes konfrontiert zu werden.
Sie kamen beinahe gemeinsam an der Stalltür an, und Adam öffnete die Tür. Willa hatte sich bereits seelisch darauf vorbereitet, abgeschlachtete Fohlen betrauern zu müssen. Doch alles, was sie im Stall erwartete, war der Geruch nach Heu, Pferden und Leder. Trotzdem überprüften sie in stillschweigendem Einverständnis jede einzelne Box und dann den hinter den Ställen liegenden Korral. Als sie den Stall verließen, ließen sie das Licht brennen.
Als nächstes lief Adam zu seinem Haus, um nach seinen Hunden zu schauen. Seit die Katze getötet worden war, hatte er sich angewöhnt, die beiden Tiere nachts einzuschließen. Sie begrüßten ihn mit einem fröhlichen Schwanzwedeln. Er vermutete mit einer Mischung aus Belustigung und Sorge, daß sie einen bewaffneten Wahnsinnigen ebenso freudig willkommen geheißen hätten.
»Wir rufen von hier aus im Haupthaus an und bitten Nate, daß er uns am Viehstall trifft. Willst du, daß Ham auch kommt?«
Willa bückte sich, um Beans hinter den Ohren zu kraulen. »Ich möchte, daß sie alle, jeder einzelne von ihnen, dort erscheinen. Sie sollen mit eigenen Augen sehen, gegen was wir uns wehren müssen.« Willas Stimme wurde hart. »Und ich will wissen, was jeder einzelne von ihnen während der letzten Stunden getrieben und wo er sich aufgehalten hat.«
Die Arbeit war zwar physisch nicht allzu anstrengend, dafür schmerzte sie um so mehr in der Seele. Die abgeschlachteten Kälber wurden auf dem schneebedeckten Boden zu einem großen Haufen geschichtet. Zahlreiche Helfer beteiligten sich an dieser Aufgabe, niemand sprach ein Wort.
Einmal ertappte Willa Billy dabei, wie er sich verstohlen mit der Hand über die Augen wischte. Sie konnte ihm keinen
Vorwurf daraus machen, da sie am liebsten ebenfalls in Tränen ausgebrochen wäre, wenn es ihr nur geholfen hätte.
Nachdem die Arbeit getan war, nahm Willa entschlossen Ham den Benzinkanister aus der Hand. »Ich übernehme das«, sagte sie grimmig. »Bitte, Ham, das ist meine Sache.«
»Will …« Ham brach ab, da er wußte, daß jeglicher Widerspruch zwecklos war, und nickte ihr zu. Dann bedeutete er den Männern, einen Schritt zurückzutreten.
»Wie kann sie das nur ertragen?« murmelte Lily, die fröstelnd neben Tess am Zaun des Korrals stand. »Wie hält sie das aus?«
»Sie muß es ertragen.« Tess lief es kalt den Rücken hinunter, als Willa Benzin über das tote Vieh schüttete.
»Wie wir alle«, fügte sie hinzu und legte Lily einen Arm um die Schulter. »Möchtest du ins Haus gehen?«
Nichts lieber als das, dachte Lily, aber sie schüttelte energisch den Kopf. »Nein, wir bleiben, bis alles vorüber ist. Bis sie die Sache zu Ende gebracht hat.«
Willa rückte das Tuch zurecht, das sie sich vor Mund und Nase gebunden hatte, und griff nach der Streichholzschachtel, die Ham ihr hinhielt. Erst beim dritten Versuch gelang es ihr, ein Streichholz hinter vorgehaltener Hand anzureißen. Sie mußte sich tief über die getöteten Tiere bücken, um trotz des schneidenden Windes das Feuer zu entzünden.
Die Flammen schossen rasch zum Himmel empor und verbreiteten sengende Hitze. In Sekundenschnelle hing der ekelerregende Gestank verschmorenden Fleisches in der Luft. Eine Rauchschwade kam auf Willa zu; der beißende Qualm brachte ihre Augen zum Tränen, und beinahe hätte sie sich heftig übergeben müssen. Hastig trat sie ein paar Schritte zurück und schluckte krampfhaft.
»Ich werde Ben benachrichtigen.« Nate trat an ihre Seite.
Willa hielt den Blick auf die Flammen gerichtet. »Wozu?«
»Er will über derartige Vorkommnisse sicher sofort informiert werden. Du stehst nicht ohne Freunde da, Will.«
Trotz dieser Versicherung fühlte sie sich im Moment entsetzlich verloren. »In Ordnung. Vielen Dank für deine Hilfe, Nate.«
»Ich bleibe über Nacht hier.«
Sie nickte. »Ich brauche Bess wohl nicht zu bitten, ein Gästezimmer herzurichten, oder?«
»Nein,
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