Der weite Himmel: Roman (German Edition)
berührten. »Und wir fahren. Wenn du versuchst, dich jetzt noch herauszureden, dann verbreite ich überall im Umkreis von hundert Meilen, daß dein Wort keinen Pfifferling wert ist.«
»Ich stehe immer zu meinem Wort, und jeder, der das Gegenteil behauptet, ist ein Lügner.«
»Äh, Ladys …«
Willas Kopf fuhr herum, und sie durchbohrte Ben mit bösen Blicken. »Halt dich da raus, McKinnon!«
»Schon gut«, murmelte er, ergeben die Hände hebend, und wich vorsichtshalber noch ein Stück zurück.
»Wenn du fahren willst, obwohl wir uns vor Arbeit nicht retten können«, fauchte Willa, wobei sie Tess einen heftigen Rippenstoß versetzte, »dann tu das. Ich habe eine Ranch zu leiten.«
»Du kommst mit.« Tess blieb ihr den Stoß nicht schuldig. »Weil wir es so abgemacht hatten, weil du die Wette verloren hast und weil Lily sich schon darauf freut. Außerdem wird es höchste Zeit, daß du deinen Mitmenschen einmal genausoviel Beachtung schenkst wie den gottverdammten Rindviechern. Ich hab’ mir den Arsch aufgerissen, um das alles zu organisieren. Seit sechs Monaten hänge ich schon auf dieser Hinterwäldlerranch fest, und alles nur, weil irgendein selbstsüchtiger Scheißkerl noch vom Grab aus den lieben Gott spielen will!«
»Und nach weiteren sechs Monaten bist du auf Nimmerwiedersehen verschwunden.« Warum sie deswegen vor Wut fast platzte, hätte Willa nicht sagen können.
»Ganz recht«, schoß Tess zurück. »Sobald ich meine Strafe abgesessen habe, kehre ich in die zivilisierte Welt zurück. Aber in der Zwischenzeit spiele ich das Spielchen mit und halte mich an die Regeln. Und so wahr mir Gott helfe, das wirst du auch tun. Wir fahren, und wenn ich dich bewußtlos schlagen, fesseln, knebeln und in das nächstbeste Auto werfen müßte.«
»Jeep.« Willa hob das Kinn, als würde sie es darauf anlegen, sich einen Kinnhaken einzufangen. »Diese Autos nennt man Jeeps, Hollywood, und du könntest noch nicht einmal mit einem blinden dreibeinigen Hund fertig werden.«
»Scheiß auf deine Jeeps!« Unfähig, ihren Zorn noch länger zu zügeln, stieß Tess Willa mit aller Kraft den Ellbogen in die Seite. »Und scheiß auf dich!«
Mehr bedurfte es nicht. Irgend etwas in Willas Kopf setzte aus. Ohne zu überlegen, hatte sie auch schon mit der Faust
ausgeholt und zugeschlagen. Sie traf Tess mit voller Wucht ins Gesicht, so daß diese nach hinten taumelte und rücklings auf dem schlammigen Boden landete. Oberhalb der Kinnlinie zeichnete sich ein häßlicher roter Fleck ab.
Gerade als Ben fluchend dazwischengehen wollte, hatte sich Willa auch schon entschuldigt. »Es tut mir leid, das hätte ich nicht tun dürfen. Ich …«
Weiter kam sie nicht. Tess atmete hörbar aus, als sie, wie von der Tarantel gestochen, aufsprang und sich mit ihrem ganzen Körpergewicht gegen Willa warf. Als die beiden Gegnerinnen zu Boden gingen, war nur noch ein Gewirr von Armen und Beinen zu sehen und schrille Wutschreie zu hören. Ben hatte bereits beschlossen, sich nicht einzumischen. Stöhnend und Hiebe austeilend, wälzten sich die beiden Schwestern in einer Schneewehe und kämpften sich wieder zurück auf den nassen Boden. Ben rechnete damit, daß sie sich jeden Moment gegenseitig an den Haaren reißen würden, und er wurde nicht enttäuscht. Er schob seinen Hut zurück und machte eine abwehrende Bewegung, als die Männer aus dem Viehstall kamen, um nachzusehen, was der plötzliche Aufruhr zu bedeuten hatte.
»Da brat mir doch einer ’nen Storch«, bemerkte Ham gedehnt. »Ich hab’s kommen sehen. Was war denn nun der endgültige Auslöser?«
»Irgendein Gefasel über eine Wette, ein Moorbad und einen Jeep.«
Ham holte sein Tabakpäckchen hervor, während die Männer in stillschweigender Übereinkunft einen Kreis bildeten. »Will ist kleiner und leichter, aber sie kennt ein paar fiese Tricks.« Er zuckte zusammen, als Tess’ Faust hart mit Willas Auge kollidierte. »Nach allem, was ich ihr beigebracht habe! Will hätte das kommen sehen müssen.«
»Gleich kratzen sie sich die Augen aus«, wunderte sich Billy. »Mannomann!«
»Ich fürchte, sie würden sich auf jeden stürzen, der dazwischengeht.« Ben schob die Hände in die Hosentaschen. »Diese Tess hat ziemlich lange Krallen. Mit denen möchte ich nicht in näheren Kontakt kommen.«
»Ich sage, Will macht sie fertig.« Jim sprang zurück, als die beiden Frauen gefährlich nah an seine Stiefel rollten. »Zehn Dollar auf sie.«
Ben überlegte, dann schüttelte er den
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