Der weite Himmel: Roman (German Edition)
andere Wahl hast du nicht.«
Bens Blick wanderte von Jim zu Willa. Er hielt die Augen auf sie gerichtet, so lange, bis sie unauffällig nickte, um ihre Zustimmung zu geben. Er hoffte nur, daß sie ihn richtig verstanden hatte.
»So, meinst du?« Ben betätigte den Abzug. Die Kugel traf Jim genau da, wo sie ihn treffen sollte, nämlich zwischen die Augen. Dem Himmel sei Dank für Willas Kaltblütigkeit, dachte Ben, dessen Hand nun doch zu zittern begann. Sie hatte keinen Muskel gerührt, hatte sich noch nicht einmal bewegt, als das Messer zu Boden fiel. Nun, da niemand sie mehr hielt, spürte Willa, wie sie zu taumeln begann, sah, wie sich der Himmel über ihr karussellartig drehte, gerade als die
ersten Regentropfen auf die Erde fielen. Und sie sah Ben, der auf sie zustürmte.
»Ein toller Schuß«, stammelte sie noch, bevor sie – wofür sie sich später fast zu Tode schämte – in Ohnmacht fiel.
In Bens Armen kam sie wieder zu sich. Regen und Tränen rannen über ihr Gesicht, und seine Lippen liebkosten unaufhörlich ihre feuchte Haut. »Ich hab’ wohl das Gleichgewicht verloren.«
»Ja.« Ben kniete auf dem schlammigen, aufgeweichten Boden, er wiegte sie wie ein Baby hin und her, während der Regen auf sie beide herabprasselte. »Ich weiß.«
In ihrem Kopf dröhnte es. Wohl wissend, daß sie ihrer Schwäche nachgab, barg sie ihr Gesicht an seiner Schulter, damit sie den Leichnam, der neben ihnen im Schmutz lag, nicht ansehen mußte. »Er hat gesagt, er wäre mein Bruder. Er hat das alles wegen der Mercy Ranch getan, wegen meines Vaters und wegen …«
»Ich habe ihn klar und deutlich verstanden.« Ben drückte seine Lippen auf ihr Haar, nahm dann seinen Hut ab und setzte ihn ihr auf den Kopf, um sie vor der Nässe zu schützen. »Du verdammtes, hirnloses Frauenzimmer hast ihn ja regelrecht angebettelt, dich umzubringen. Ich bin tausend Tode gestorben, als ich mitanhören mußte, wie du ihn gereizt hast, während ich auf dem Weg nach oben war.«
»Ich wußte mir nicht anders zu helfen.« Die Angst, die sie so entschlossen unterdrückt hatte, bahnte sich mit Macht einen Weg in ihr Bewußtsein und lähmte sie beinahe. »Ben – was ist mit Ham?«
»Ich weiß es nicht.« Sie zitterte mittlerweile am ganzen Körper, und er zog sie schützend enger an sich. »Ich weiß es wirklich nicht, Liebling. Als ich losgeritten bin, war er jedenfalls noch am Leben.«
»Gott sei Dank.« Also bestand noch Hoffnung. »Meine Hände. Jesus, Ben, sieh dir meine Hände an!«
Fluchend und wüste Verwünschungen gegen Jim ausstoßend, zückte Ben sein Messer, befreite Willa von ihren Fesseln und starrte entsetzt auf ihre Handgelenke. Die Haut war bis auf das rohe Fleisch aufgescheuert. »O Gott, Baby!« Der
Anblick wollte ihm das Herz brechen und raubte ihm den letzten Rest seiner mühsam aufrechterhaltenen Beherrschung. »Willa.«
Er kniete immer noch im strömenden Regen und wiegte sie tröstend in seinen Armen, als Adam zu ihnen stieß.
Kapitel 7
»Wenn ich dir sage, daß du etwas essen sollst, dann ißt du, und zwar das, was ich dir vorsetze.« Bess beugte sich über ihren Patienten und funkelte ihn böse an.
»Kannst du mich nicht mal fünf Minuten in Ruhe lassen?« Gereizt rollte sich Ham im Bett zusammen und versuchte, das Tablett von sich zu schieben, das Bess auf der Bettdecke plaziert hatte.
»Du kletterst ja sofort aus dem Bett, sobald ich dir nur den Rücken zukehre. Das nächste Mal ziehe ich dich splitternackt aus, dann traust du dich nicht, das Zimmer zu verlassen.«
»Ich habe sechs lange Wochen im Krankenhaus flachgelegen und bin vor über einer Woche aus dem verdammten Ding entlassen worden, falls es dich interessiert. Ich lebe noch, Herrgott noch mal!«
»Wirst du wohl den Namen des Herrn nicht unnütz im Munde führen, Hamilton? Der Arzt hat dir zwei volle Wochen Bettruhe verordnet und gesagt, daß du eine, höchstens zwei Stunden täglich aufstehen darfst.« Mit energisch vorgestrecktem Kinn sah sie ihn gebieterisch an. »Muß ich dich daran erinnern, daß du mit einem Messer im Bauch zum Haus gekrochen kamst und mir meinen frischgewienerten Küchenfußboden vollgeblutet hast?«
»Das erzählst du mir jedesmal, wenn du zur Tür hereinkommst.«
»Nun ja.« Bess blickte sich erleichtert um, als Willa das Zimmer betrat. »Du kommst wie gerufen. Versuch du dein Glück bei ihm, ich habe zu tun.«
»Machst du ihr wieder das Leben schwer, Ham?«
Er zog ein finsteres Gesicht, als Bess hocherhobenen
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