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Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Titel: Der weite Himmel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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geerbt.« Er lächelte. »Man kommt nicht dagegen an, wenn einem so etwas im Blut liegt. Auch er hat gern getötet. Weißt du noch, als er dir einmal ein gerade entwöhntes Kalb geschenkt hat? Du hast es großgezogen, hast es verhätschelt wie ein Haustier. Ich glaube, du hast ihm sogar einen Namen gegeben.«
    »Blossom«, murmelte sie. »Dämlicher Name für eine Kuh.«
    »Jedenfalls hast du an dem Tier gehangen, hast ihm sogar Bänder um die Hörner gewunden. Ich erinnere mich genau an den Tag, an dem er dich mit auf die Weide genommen hat. Du mußt so zwölf oder dreizehn gewesen sein, und er zwang dich zuzusehen, wie er die Kuh schlachtete. Du müßtest lernen, wie es auf einer Ranch zugeht, behauptete er, und du hast dagestanden und hast geweint. Dann bist du davongerannt, weil dir schlecht wurde. Ham war nahe daran, sich mit dem Alten wegen dieser Sache zu prügeln. Seitdem hast du nie wieder ein Haustier gehalten.«
    Jim zündete sich eine Zigarette an. »Stimmt ja gar nicht. Ich hatte deinen alten Hund vergessen, der ein Jahr später gestorben ist. Du hast dir nie einen neuen angeschafft.«
    »Nein, ich wollte kein Tier mehr.« Willa zog die Knie an und legte den Kopf darauf. Alte Erinnerungen wurden wieder lebendig.
    »Ich erzähle dir das nur, damit du einsiehst, daß man gegen das, was einem im Blut liegt, nicht ankommt. Jack Mercy war ein herrschsüchtiger Mann, der immer alle Leute nach seiner Pfeife tanzen ließ. Du hältst auch gerne die Zügel in der Hand – weil es dir im Blut liegt.«
    Willa konnte nur schwach den Kopf schütteln. Sie kämpfte mit aller Kraft gegen ihre Übelkeit an. »Hör auf!«
    »Hier, nimm das.« Er erhob sich, holte die Feldflasche, die er am Wasser aufgefüllt hatte, und brachte sie ihr. »Trink einen Schluck. Ich wollte dich wirklich nicht aufregen, du solltest nur die Zusammenhänge begreifen.« Sanft streichelte er
ihr Haar, das seidenweiche Haar seiner kleinen Schwester. »Wir müssen jetzt zusammenhalten.«
     
    Charlie hetzte voran, jagte mit wehendem Schwanz über den steinigen Pfad. Weder bellte er, noch jaulte er auf, nur sein Fell sträubte sich ab und zu. Ben lauschte auf Geräusche, die ihm verrieten, ob noch andere Männer, Pferde oder Hunde in der Nähe waren. Wenn er die Fährte aufgenommen hatte, dann mußte Adam sie gleichfalls entdeckt haben, dessen war er absolut sicher. Doch er hörte keinen Laut, nur die Stille der Nacht umgab ihn.
    Der zweite Ohrring lag auf einem Felsbrocken. Er nahm ihn an sich und führte ihn flüchtig an die Lippen, ehe er ihn in die Tasche schob. »Braves Mädchen«, flüsterte er. »Halt durch!«
    Dann blickte er zum Himmel auf. Dunkle Wolken schoben sich vor den Mond; es waren nur noch wenige Sterne zu sehen. Der so sehnsüchtig erwartete Regen kam für ihn zu früh.
     
    Während sie trank, beobachtete sie ihn genau. In seinen Augen las sie, wie sehr er sie mochte. »Du hättest mich schon vor Monaten umbringen können, noch vor allen anderen.«
    »Ich wollte dir nie etwas antun. Er hat dich ebenso betrogen wie mich. Ich hab’ mir immer vorgestellt, daß wir Mercy eines Tages gemeinsam führen würden, du und ich. Ich hätte noch nicht einmal etwas dagegen, dir die Leitung zu überlassen. Du bist am besten dazu geeignet. Ich treffe nämlich nicht gern wichtige Entscheidungen.«
    Er ließ sich wieder nieder, trank selber ein wenig Wasser und schraubte die Flasche wieder zu. Jegliches Zeitgefühl war ihm abhanden gekommen. Er empfand es als beruhigend, mit ihr hier draußen unter dem weiten Himmel zu sitzen und in Erinnerungen zu schwelgen.
    »Ich hatte wirklich nicht geplant, Pickles umzubringen. Eigentlich hatte ich gar nichts gegen ihn, obwohl mir sein Gejammer und Gemecker manchmal gewaltig auf den Nerv gingen, aber er hat mir nie etwas getan. Er war nur zur falschen
Zeit am falschen Ort. Hätte nie damit gerechnet, daß er ausgerechnet dort auftauchen würde. Ich hatte vorgehabt, einen weiteren Ochsen zu erledigen und auf der Straße liegenzulassen, damit einer der Jungs ihn findet und ein Riesenspektakel veranstaltet. Aber dann überraschte mich Pickles dabei, und ich mußte ihn aus dem Weg räumen. Und, Will, um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich habe Geschmack daran gefunden.«
    »Regelrecht abgeschlachtet hast du ihn!«
    »Totes Fleisch ist totes Fleisch, wenn man so will. Mann, jetzt könnte ich ein Bier vertragen. Ein Bier wäre genau das Richtige.« Seufzend nahm er seinen Hut ab und fächelte sich damit Luft zu.

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