Der weite Himmel: Roman (German Edition)
paar Monaten läuft auf der Ranch alles wieder seinen gewohnten Gang. Jetzt kann ich ja die Stelle des Vorarbeiters einnehmen.« Das Flackern in ihren Augen, ihr instinktives Zusammenzucken entging ihm nicht. »Du meinst das gar nicht ehrlich. Du lügst!«
»Nein, ich denke nur darüber nach.« Der erneute Stimmungsumschwung ließ ihr Herz schneller schlagen. »Wir dürfen uns in keinem Punkt widersprechen, müssen alles genau aufeinander abstimmen, und …«
»Du lügst!« Er schrie so laut, daß das Echo seine Worte wiedergab. »Glaubst du denn, ich durchschaue dich nicht? Hältst du mich für so blöd, daß ich nicht merke, was in dir vorgeht? Wenn ich dich nach Hause bringe, dann lieferst du mich der Polizei aus, mich, deinen eigenen Bruder. Nur wegen Ham.«
Rasend vor Wut sprang er auf, das Messer in der einen Hand, das Gewehr in der anderen. »Es war ein Unfall. Ich konnte wirklich nichts dafür. Aber du würdest mich deshalb verraten. Der alte Mann bedeutet dir mehr als deine eigene Familie.«
Er würde sie niemals gehen lassen. Und er würde sie töten,
noch bevor sie ein paar Meter weit gekommen war. Trotzdem kam Willa unsicher auf die Füße, schwankte ein wenig, bis sie sicheren Halt fand, und blickte ihn voll tödlicher Verachtung an. »Ham war meine Familie.«
Jim ließ das Gewehr fallen, packte sie mit seiner freien Hand und schüttelte sie heftig. »Wir sind von einem Blut. Du solltest um jeden Preis zu mir halten, ich bin doch ein Mercy, genau wie du!«
Aus den Augenwinkeln heraus sah sie, wie er mit dem Messer herumfuchtelte, dann schoben sich Wolken vor den Mond, und das Glitzern der Klinge erlosch. »Du wirst mich schon töten müssen, Jim. Und wenn du das getan hast, dann gibt es auf der ganzen Welt kein Fleckchen mehr, wo du dich verstecken könntest. Sie werden dich einmal um den Erdball jagen, und gnade dir Gott, wenn Ben oder Adam dich zuerst aufspüren.«
»Warum willst du mich denn nicht verstehen?« Er schrie die Frage heraus. »Es geht mir um Mercy. Nur die Ranch zählt für mich. Ich will doch bloß meinen Anteil an Mercy.«
Willa ballte ihre schmerzenden Hände zu Fäusten und starrte in seine glühenden Augen. »Von mir hast du nichts zu erwarten, Jim.« Sie holte aus, versetzte ihm mit ihren gefesselten Händen einen Stoß in die Magengrube und warf sich herum, um die Flucht zu ergreifen.
Jim bekam ihr Haar zu fassen und riß sie daran so grob zurück, daß sie kaum noch sehen konnte. Schluchzend vor Schmerz rammte sie ihm mit aller Kraft den Ellbogen in die Seite, erreichte jedoch nicht, daß er seinen eisernen Griff lokkerte. Ihre Füße rutschten unter ihr weg, und sie wäre zu Boden gestürzt, hätte er sie nicht an den Haaren festgehalten.
»Es wird ganz schnell gehen«, versprach er ihr. »Ich werde dir unnötiges Leiden ersparen. Ich weiß, wie man es machen muß.«
Ben trat hinter den schützenden Felsen hervor. »Laß das Messer fallen!« Sein Revolver war geladen, entsichert und direkt auf seinen Gegner gerichtet. »Wenn sie auch nur einen einzigen Kratzer abbekommt, dann fährst du auf direktem Weg zur Hölle.«
»Spuck lieber nicht so große Töne.« Jim hielt Willa das Messer an die Kehle. Seine Stimme klang wieder ruhig und gelassen, und er spürte, wie er seine Selbstbeherrschung zurückgewann. Er hatte Oberwasser. Die Frau, die er an sich gepreßt hielt, betrachtete er nicht länger als seine Schwester, sondern lediglich als Schutzschild. »Es kostet mich nur eine einzige Handbewegung, und sie ist tot, ehe du mit der Wimper zucken kannst.«
»Und du kommst als nächster dran.«
Jims Augen flackerten. Sein Gewehr befand sich außerhalb seiner Reichweite. Vorsichtig trat er einen Schritt zurück und drückte das Messer fester gegen Willas Hals. »Gib mir fünf Minuten Vorsprung, und sobald ich mich sicher fühle, lasse ich sie frei.«
»Glaub ihm kein Wort!« Willa spürte, wie die scharfe Klinge ihre Haut ritzte und die ersten Blutströpfchen ihren Hals hinunterliefen. »Er wird mich umbringen«, sagte sie ruhig, die Augen unverwandt auf Ben gerichtet. »Es ist nur eine Frage des Zeitpunktes.«
»Halt den Mund, Will!« Jim richtete das Messer gegen ihre Kehle. »Das ist eine Angelegenheit unter Männern. Wenn du sie willst, McKinnon, dann kannst du sie haben. Aber laß die Waffe fallen und geh ein Stück zurück, bis wir auf die Pferde gestiegen sind. Wenn nicht, erledige ich sie gleich hier an Ort und Stelle, und du kannst zusehen, wie sie stirbt. Eine
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