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Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Titel: Der weite Himmel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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wir beide in Zukunft die Augen offenhalten, und wenn dir etwas Ungewöhnliches auffällt, dann sagst du es mir und umgekehrt. Auch wenn es sich nur um Kleinigkeiten handelt. Einverstanden?«
    »Einverstanden. Ich werde dir sofort Bescheid sagen, wenn ich etwas bemerke. Dir und Willa.« Sie hob mahnend eine Hand, bevor Tess Einspruch einlegen konnte. »Das sind wir ihr schuldig, Tess. Sie hat schließlich genausoviel zu verlieren wie wir. Mehr noch, wenn du mich fragst.«
    Wie wahr, dachte Tess, dann zuckte sie die Schultern. »Okay, abgemacht. Und jetzt hätte ich gerne eine Tasse Kaffee.«
     
    Sie tranken Kaffee. Und warteten. Sie aßen Stew. Und warteten.
    Der Wind brachte die Fensterscheiben zum Klirren, das Feuer prasselte im Kamin, und die altmodische Standuhr in der Ecke erinnerte sie unerbittlich daran, wie schnell die Stunden verstrichen. Es war bereits nach Mitternacht, als Willa endlich zurückkam. Allein. Tess, die rastlos im Wohnzimmer umherwanderte, blieb stehen und musterte ihre Halbschwester prüfend. Willas Gesicht war von Erschöpfung gezeichnet, die dunklen, exotischen Augen blickten matt und glanzlos. Sie ging direkt zum Feuer hinüber, wobei sie eine Spur von Schnee und Nässe auf den erlesenen Teppichen und dem schimmernden Holzboden hinterließ.
    »Wo sind die anderen?« wollte Tess wissen.
    »Nach Hause gefahren. Sie haben genug eigene Probleme.«
    Tess nickte, griff nach der Whiskeykaraffe und goß Willa einen großzügig bemessenen Drink ein. Ihr wäre es bei weitem lieber gewesen, Nate und Ben im Haus zu wissen, doch sie hatte bereits gelernt, daß das Leben in Montana eine Aneinanderreihung kleiner Enttäuschungen war. Auffordernd hielt sie Willa das Glas entgegen.
    »Na, hast du alle deine Kinder ins Bettchen gebracht?«
    Ohne Tess einer Antwort zu würdigen, kippte Willa die Hälfte des Whiskeys mit einem Schluck hinunter, dann schüttelte sie sich einmal heftig.
    »Ich lasse dir ein Bad ein.«
    Zu ausgelaugt, um einen klaren Gedanken fassen zu können, sah Willa Lily an. »Wie bitte?«
    »Ich lasse dir jetzt ein heißes Bad ein. Du bist durchgefroren und übermüdet, und du mußt ja vor Hunger fast umkommen. Auf dem Herd steht noch Stew. Tess, mach Willa einen Teller fertig.«
    Willa hatte gerade noch soviel Energie übrig, um gequält zu lächeln. Verdutzt sah sie der davoneilenden Lily nach. »Sie läßt mir ein Bad ein. Ist denn das zu fassen?«
    »Unser Hausmütterchen. Aber schaden kann es dir nicht. Du riechst etwas streng.«
    Willa schnüffelte und zuckte dann zusammen. »Kann ich nicht leugnen.« Da der erste Schluck Whiskey ihr bereits zu Kopf gestiegen war, stellte sie das Glas beiseite. »Ich bin viel zu kaputt, um noch etwas zu essen.«
    »Willst du uns noch vom Fleisch fallen? Du kannst ja in der Wanne essen.«
    »In der Wanne? Ich soll in der Wanne essen?«
    »Warum denn nicht?«
    Willa warf Tess einen Blick zu, der fast so etwas wie Anerkennung ausdrückte. »Warum eigentlich nicht?« stimmte sie zu, ehe sie, vor Müdigkeit taumelnd, nach oben ging, um sich auszuziehen.
    Lily hatte inzwischen heißes Wasser einlaufen lassen und Badeessenz dazugegeben. Einige Sekunden lang starrte Willa blicklos in die Wanne. Ein Schaumbad, dachte sie. Wann hatte sie das letzte Mal ein Schaumbad genommen? Sie konnte sich nicht mehr erinnern. Die riesige rote Wanne war für gewöhnlich ihrem Vater vorbehalten gewesen, sie hatte sie nur selten benutzt, und auch nur dann, wenn er außer Haus war.
    Doch jetzt war er fort. Diesmal für immer.
    Vorsichtig schwang sie ein Bein über den Wannenrand
und atmete laut aus, als ihre frostkalte Haut mit dem Wasser in Berührung kam. Dann tauchte sie mit einem wohligen Seufzer bis zum Hals in die Wanne.
    Sie wollte im Augenblick an gar nichts denken, nicht an den Schnee, nicht an den Wind und die Dunkelheit und erst recht nicht an den zermürbenden Kampf, das Vieh wieder zusammenzutreiben. Mit Sicherheit hatten sie einige Tiere übersehen, und sie würden noch weitere verlieren. Das ließ sich nun einmal nicht vermeiden. Der Schneesturm war zu unerwartet und zu heftig über das Land hereingebrochen, als daß sie noch die entsprechenden Vorkehrungen hätten treffen können. Doch sie hatten ihr möglichstes getan.
    Ihre Muskeln schmerzten, als sie den Kopf zurücklegte und die Augen schloß. Ihr Verstand schien sich ein- und auszuschalten, ohne daß sie dagegen ankämpfen konnte. Doch sie mußte darüber nachdenken, was morgen zu tun war, obwohl die

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