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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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linken Hand, als pflückten sie Blumen, und legten das Bündel dann vorsichtig in die Kisten, die Spitzen alle in dieselbe Richtung. Früher waren Hunderte von Arbeitsstunden mit dem Transport verschwendet worden, da die Spargelstecher ihre vollen Körbe zu den Kisten am Feldrand tragen mussten. Mit dem Anhänger ließ sich der Spargel in einem einzigen Arbeitsgang stechen und sammeln. Zweimal am Tag wurden die Kisten auf den Landrover umgeladen und zum Kühlhaus in Midges Scheune gebracht.
    Der Besitzer des Felds hatte aufzupassen, das war alles. Midge fuhr den Traktor. Seinen dicken Bauch hinter das Lenkrad gequetscht, den Hals die meiste Zeit halb verdreht, achtete er darauf, dass die Stecher richtig arbeiteten. Wenn er jemanden die Stangen in die Kisten werfen sah, brüllte er los.
    »So, ihr hört jetzt mal gut zu«, hatte er ihnen am ersten Tag erklärt. »Spargel ist keine Zuckerrübe! Und kein gottverdammter Rosenkohl. Er hat einen vornehmen Stammbaum. Er ist das Nobelfräulein der Gemüsewelt: wächst über Nacht, muss schnell geerntet werden, sonst schießt er ins Kraut. Und er geht leicht kaputt. Behandelt das Fräulein also mit Respekt. Entweder ihr beugt das Knie vor ihr, oder das war’s auf dieser gottverdammten Farm.«
    Seinen Farmerfreunden im Longmire Arms erzählte Midge: »Diese Jungs aus Osteuropa sind Feldarbeit gewohnt. Als Kinder haben sie bestimmt schon im Morgengrauen die Hühner der Familie gefüttert, nach der Schule ging’s dann weiter, Kühe melken, Kohl bewässern, das ganze Zeug ... Deshalb sind sie auch vernünftige Erntearbeiter, weil sie das Land verstehen.«
    Über die zwei jungen Chinesen, Sonny und Jimmy Ming, sagte Midge: »Von denen weiß ich nichts. Kriegen scheint’s die Zunge nicht um die Wörter. Und Sonny Ming schneidet zu hoch am Stängel, weil er die halbe Zeit träumt. Aber sie sind gutwillig, muss ich ihnen lassen. Lachen dauernd. Keine Ahnung, worüber, aber ist ja auch egal. Und Regen scheint ihnen gar nichts auszumachen.«
    In diesem Jahr hatte Midge nur sieben Stecher, obwohl er gut neun oder zehn hätte brauchen können. Denn sein im Spätherbst ausgebrachter Algenmulch war von den scharfen Winterfrösten aufgeschlossen worden, es folgte ein schön feuchter Frühling, und dieser April war warm, man konnte dem Zeug praktisch beim Wachsen zusehen . Die Ernte hatte genau die richtige Menge Körper − Stangen nicht zu dick, nicht zu dünn −, und die Spargelpreise entwickelten sich gut. Deshalb hatte er auch, als Vitas ihn fragte, ob er seinen Freund Lev noch nehme, einen Mann um die vierzig, gesagt: »Geht in Ordnung für mich, Vitas, solange er nichts dagegen hat, den Wohnwagen mit den Mings zu teilen. Und solange er sich anstrengt.«
    Lev hatte nichts dagegen, sich den undichten alten Wohnwagen mit anderen zu teilen. Ihm war alles recht, und er betrachtete die Unbequemlichkeiten als Strafe dafür, dass er sich sein Leben in London ruiniert hatte. Denn es war ein herrliches Leben gewesen − das begriff er jetzt. Seine Freundschaft mit Christy Slane und ihre gemütlichen Tee-mit-Toast-Sitzungen waren so tröstlich gewesen. Er hatte seine Arbeit schließlich richtig gern gehabt. Eine wunderhübsche, attraktive junge Frau hatte sich in ihn verliebt; eine Frau, die halbe Sonntage lang ehrenamtlich in einem Pflegeheim für ältere Menschen arbeitete. Und jetzt hatte er sie alle verloren.
    »Ich hab’s verpfuscht, Kamerad«, erklärte er Rudi. »Es war mein alter Zorn: Ich habe mich wie ein Idiot benommen. Als hätte ich allen ein Stück Kohle in die Hand gedrückt.«
    »Na ja«, sagte Rudi, »Liebe lässt die Menschen durchdrehen. Sei nicht so hart mit dir.«
    »Wieso nicht?«, sagte Lev. »Ich habe es verdient. Ich habe Sophie halb erwürgt in dem Theater, und dann ...«
    »Was, und dann?«
    »Als sie mich besuchen kam, war ich grob. Verstehst du, was ich meine? Ich habe mir gesagt, sie will es, weil sie immer ziemlich scharf auf mich war. Aber ich fürchte, es fehlte nicht viel zu einer Vergewaltigung.«
    Rudi schwieg. Lev konnte sich vorstellen, wie er überlegte, was er sagen sollte. Nach einer Weile hörte er einen tiefen Seufzer, und Rudi murmelte: »Männer haben es schwer in diesem Jahrhundert. Es scheint, wir wissen verdammt noch mal nicht, wo wir stehen.«
    »Ich werde dir sagen, wo ich stehe«, erklärte Lev. »Ich bin wieder bei den Besitzlosen.«
    Die Wohnwagenfenster hatten keine Vorhänge, weswegen Lev meist um sechs Uhr aufwachte, wenn es hell

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