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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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was es für ihn war − die Rettung. Was er am meisten fürchtete, war, dass Rudi ihn auslachen könnte. »Ein vornehmes Restaurant in Baryn! Das ist ja eine Bombenidee, Kamerad. Wer sind denn deine verdammten Gäste? Du glaubst, die Bürger in diesem elenden Kaff können sich kapitalistisches Essen leisten?«
    Lev redete sich ein, wenn er erst einmal zurück wäre, Rudi von Angesicht zu Angesicht gegenüberstünde, wenn er das Geld wirklich hätte und auch den richtigen Laden, einen, der ihm gefiel, dann würden sie bestimmt alle seine Idee realistisch finden. Dann würden sie nicht lachen. Doch sein Traum vom Klaviergeschäft sagte ihm ganz deutlich, dass die Dinge, die er sich ausgemalt hatte − der schlichte Glanz, der selbstverständliche Erfolg des Unternehmens −, immer noch nur dies waren: leere Phantastereien. Die Schönheit des Sonnenlichts, der duftende Raum mit seinem Holzboden, die Anwesenheit von Marina im Traum −all das hatte ihn getröstet, aber was hatte es denn anderes ausgedrückt als seine Sehnsucht, sich das Leben zurückzuzaubern, das er verloren hatte?
    Als Lev eines Nachts kaputt, fix und fertig, vollkommen erledigt vom Tag in Ferndale und der Abendschicht bei Panno ins Haus trat, klingelte sein Telefon, und es war Rudi.
    »Okay«, sagte Rudi. »Lora sagt, du hast einen ›Plan‹. Also, wie sieht dieser verdammte Plan aus? Wieso sagst du nichts?«
    Rudi hatte getrunken. Er sprach durch die Nase, sprühende Spucke setzte die Akzente. Lev ließ sich auf sein Bett sinken, streifte die Schuhe ab, zog die Füße hoch und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Giraffenkissen. »Ich sage nichts«, erklärte er, so ruhig er konnte, »weil der Plan von einer Geldsumme abhängt, die ich noch nicht habe.«
    »Und warum erwähnst du es dann Lora gegenüber? Arschloch! Warum machst du ihr Hoffnungen?«
    »Wieso nennst du mich Arschloch? Hast du vielleicht Wodka zum Sterilisieren in die Finger gekriegt?«
    Er hoffte, der alte Witz würde Rudi besänftigen, aber das klappte nicht.
    »Ich trinke«, sagte Rudi, »weil mein Leben scheiße ist und weil du alles noch schlimmer machst, uns mit deinem so genannten ›Plan‹ quälst.«
    »Vielleicht hätte ich es ja wirklich nicht erwähnen sollen. Ich wollte Lora nur beruhigen ...«
    »Nein, verdammt noch mal, das hättest du nicht. Aber du hast eben nicht nachgedacht. Du bist doch so besoffen von deinem Leben in Scheißlondon, dass du längst vergessen hast, wie es hier bei uns aussieht.«
    Lev seufzte. Wenn er nur nicht so hundemüde wäre. »Ich habe nicht vergessen, wie es aussieht«, sagte er. »Deshalb versuche ich doch, etwas auf die Beine zu stellen, damit es anders wird.«
    » Was denn auf die Beine stellen? Wieso machst du so ein beschissenes Geheimnis daraus? Willst du auf dem Baryner Rathausplatz den Buckingham Palace bauen? Oder was?«
    »Rudi«, sagte Lev, »hör mir bitte zu. Du musst einfach Vertrauen haben.«
    »Weißt du was?«, sagte Rudi. »Genau das habe ich nämlich nicht. Ich habe kein Vertrauen mehr in dich. Nicht ein bisschen! Und zufällig habe ich auch gerade erst zu Lora gesagt, dass ich Ina recht gebe. Ich glaube nicht, dass du wieder zurückkommst. Klar schickst du uns hin und wieder Geld − kleine milde Gaben für die armen, zurückgebliebenen Schlucker −, aber wir sind dir allesamt gleichgültig, ich und Lora und sogar Maya.«
    »Nimm das zurück, Rudi!«
    »Wieso? Das ist meine Überzeugung. Du bist wie alle anderen, die in den Westen gehen, du hast dich in einen egoistischen Scheißkerl verwandelt. Du warst mal ein guter Mann, ein guter Freund ...«
    »Ich bin immer noch ein guter Freund. Wer hat geholfen, dass der Tschewi repariert wird?«
    »Klar. Ich verneige mich. Ich küsse dir den Arsch. Aber das ist nur Geld, Kamerad. Und das ist jetzt einfach für dich. Geld schicken, Geld schicken, Geld schicken! So einfach wie furzen. Und wahrscheinlich tropft dir das Geld inzwischen aus sämtlichen Öffnungen. Aber der Tag der Abrechnung steht bevor − kapierst du das denn nicht?«
    »Was für ein ›Tag der Abrechnung‹! Warum bist du so, Rudi?«
    »Wie bin ich?«
    »So böse auf mich.«
    »Weil du es zu lange hinausgezögert hast! Viel zu scheiß lange ! Ich glaube an keine Zukunft mehr. Und deine Mutter auch nicht, falls du es noch nicht gemerkt haben solltest. Also behalt deinen kostbaren ›Plan‹. Bleib in England und mach es dir nett. Bums doch noch ein paar englische Mädchen. Und vergiss unseinfach, denn das sage ich

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