Der weite Weg nach Hause
Folgendes werden wir damit machen ...«
Seltsamerweise war er ganz ruhig, während er sprach. Er beschrieb seine Vision von dem Restaurant in Baryn wie jemand, der eine Erinnerung beschreibt, die über die Jahre nicht verblasst ist, sondern im Laufe der Zeit noch an Farbe und Klarheit gewonnen hat. Er sprach von dem Musikgeschäft und dem offenen Kamin und dem Holzboden und den weißen Tischdecken und der Bar. Er sagte, er werde so bald wie möglich auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten in Baryn gehen. Er erzählte Rudi und Lora, wie viel er inzwischen vom Kochen verstand und dass er mittlerweile auch überzeugt sei, gutes Essen trage entscheidend dazu bei, ob ein Mensch verzweifelt aufgibt oder die Kraft hat, tagein, tagaus weiterzumachen. Er schilderte, wie er Ferndale Heights verändert und die Lebensqualität der Bewohner in ihren letzten Monaten auf Erden verbessert habe. Selbstbewusst behauptete er, er werde versuchen, das Leben aller Bürger in Baryn zu verbessern.
Nach einer Weile − im Flur hatte der kaputte Kuckuck irgendeine Stunde krakeelt, und das klingelnde Telefon war mehrmals ignoriert worden − begann Rudi Fragen zu stellen.
»Was bedeutet das ›Wir‹ in alledem, mein Freund? Wie passen wir da rein?«
»Also«, sagte Lev, »ich stelle mir das so vor: Was ich mir wünsche, ist, dass jeder das macht, was er am besten kann.«
»Was kann ich denn am besten?«, sagte Rudi. »Mich volllaufen lassen. Ein 25 Jahre altes Auto fahren. In Motorkühler pissen. Wo kann ich denn nützlich sein?«
»Maître«, verkündete Lev und schnippte begeistert mit denFingern. »Restaurantmanager. Nicht in der Küche. Du leitest den Gastbereich.«
»Du spinnst.«
»Nein. Wieso? Du nimmst Getränkebestellungen auf. Sorgst dafür, dass alle sich willkommen fühlen. Du kannst das bestimmt phantastisch. Die Kellner auf Trab halten. Witze reißen. Du bist das ›Gesicht des Lokals‹, das Aushängeschild.«
Lora brach in Lachen aus. »Wunderbar!«, sagte sie. »Das Aushängeschild! Etwas, das so perfekt zu Rudi passt, wäre mir nicht eingefallen.«
»Wieso ist das perfekt für mich?«, fragte Rudi. »Mein beschissenes Gesicht ist wohl kaum noch präsentabel. Und meine Witze sind mittlerweile jämmerlich. Es gibt nichts, worüber es sich lohnt, Witze zu machen.«
»Aber demnächst«, sagte Lora. »Denk doch nur, Rudi: dein eigener Barbereich, ein voller Weinkeller.«
»Das gefällt mir ja. Aber ich bin nicht gut in so was, mein Freund. Ich trink dann zuviel. Ich sag aus Versehen was Scheißunverschämtes zu einem Gast. Ich bin zu ungeschickt.«
»Mag sein«, sagte Lev. »Als ich im GK Ashe anfing, war ich auch ungeschickt. Aber das lernst du schon noch.«
Rudi rieb sich die Augen, und es war, als würde er sie blank putzen, denn als er sich umwandte, konnte Lev sie funkeln sehen.
»Allmächtiger«, sagte Rudi. »Gottverdammich, Lev! Wieso hast du das alles so lange für dich behalten?«
»Weil ich euch nichts sagen konnte, ehe ich nicht das Geld zusammen hatte. Und ich wollte hier sein und es euch von Angesicht zu Angesicht sagen.«
»Tja, nun hast du es gemacht, Kumpel, von Angesicht zu Angesicht mit dem verdammten ›Gesicht des Lokals‹!«
Sie lachten so schallend, dass es eine Freude in der Morgenstille war.
»Und was soll Lora machen?«, fragte Rudi, als das Lachenverklungen war. »Wo kommt sie da ins Spiel? Ich werde meine Frau nicht als Kellnerin rumkommandieren.«
»Ich weiß«, sagte Lev.
»Das ist okay«, sagte Lora. »Ich kann einfach mit meinen Horoskopen weitermachen.«
»Diese verdammten Horoskope«, sagte Rudi. »Wenn ich das Scheißwort ›Jupiter‹ noch ein einziges Mal höre, geh ich und schieß in den Nachthimmel.«
»Was ich mir überlegt habe, ist Folgendes«, sagte Lev. »Ich habe mir überlegt, ob Lora wohl Lust hätte, mit mir in der Küche zu arbeiten.«
»Ich bin keine Köchin, Lev.«
»He, stopp mal, Baby, du kochst sehr leckeres Essen«, sagte Rudi. »Das ist doch schon was für den Anfang, oder? Und manchmal muss sie was aus Wurstzipfeln und altem Brot und Gott weiß welchen bitteren Blättern kochen. Stimmt doch, oder?«
»Ganz genau«, sagte Lev. »Und ich kann dir jetzt gute Zutaten besorgen, Lora, und alles beibringen, was ich von GK Ashe und Panno, dem Griechen, gelernt habe.«
Lora lehnte sich an Lev und gab ihm einen zarten Kuss auf die Wange. »Du hast uns so gefehlt«, sagte sie. »Nicht, Rudi?«
»Ja, verdammt noch mal. Besonders, als wir dachten, du
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