Der weite Weg nach Hause
unordentlichen Haufen unter einer Reihe von Haken, an denen Anoraks, Schals, Rucksäcke, Vlies- und Lederjacken hingen.
»Nichts von diesem Krempel gehört mir«, sagte Christy Slane. »Er gehört den Leuten von unten. Die wollen keine stinkenden Schuhe in ihrer Wohnung, deshalb lassen sie sie draußen liegen, damit ich drüber stolpere. Sie nehmen überhaupt keine Rücksicht und denken auch nicht mit.«
Lev folgte Christy Slane die Treppe hinauf. Die Tür zu Christys Wohnung war weiß gestrichen, und ein Kinderbild mit einemHaus klebte darauf. »Das hat meine Tochter Frankie gemalt«, sagte Christy. »Sie wohnt hier nicht mehr. Deshalb kann ich das Zimmer vermieten. Ich sollte das Bild abnehmen, aber irgendwie komme ich nicht dazu.«
Christy schloss die weiße Tür, und Lev sah, dass die Wohnung, die er betrat, ebenfalls leuchtend weiß gestrichen war und nach frischer Farbe roch und nach etwas anderem, von dem Lev hoffte, es möge Zigarettenrauch sein. Er ließ den Blick zu den Türen wandern, die von dem kleinen Flur abgingen, in dem sie standen. Er erkannte ein Wohnzimmer mit einem Gasofen, zwei Korbsesseln, einem Esstisch und einem Fernseher. Ein zerbeulter Lampenschirm hing an der Decke. Die Fenster hatten keine Vorhänge.
»Nur noch kahle Minimalmöblierung«, sagte Christy. »Meine Frau hat ihren Anteil mitgenommen, und dann hat sie auch noch die Hälfte von meinem Anteil genommen. So sind sie, die englischen Frauen. Aber von den Sachen, die ich ihr geschenkt habe, hat sie nichts mitgenommen. Auch nichts von den Sachen, die ich meiner Tochter geschenkt habe. Also werden Sie sich Ihr Zimmer mit einem Puppenhaus und einem kleinen Plastikkaufladen teilen müssen, den ich ihr, zusammen mit ein paar niedlichen Spielsachen, aus dem fernen Orlando in Florida mitgebracht habe. Ich hoffe, es ist Ihnen recht. Wenn Ihnen das Zeug auf den Geist geht, können Sie mir helfen, es auf den Boden zu bringen.«
Jetzt öffnete Christy die Tür zum Kinderzimmer, und Lev sah ein Etagenbett aus Holz und eine Leiter, die vom unteren zum oberen Bett führte, und Bettzeug mit Giraffenmuster. Auf der Fensterbank lag ein Haufen Plüschtiere. Der Boden war mit grünem Teppich ausgelegt. Und auf dem Teppich stand ein winziges Holzhaus mit roten Schornsteinaufsätzen und auf die Tür gemalten Blumen. Vor dem Etagenbett lag ein bunter Läufer, der ihn an den Flickenteppich in Mayas Zimmer erinnerte.
»Ist Ihnen das recht so?«, fragte Christy. »Es ist geputzt undgelüftet. Die Betten sehen klein aus, aber sie haben Normallänge. Ich stopfe Ihre Wäsche einmal die Woche in die Waschmaschine, das ist alles in den neunzig Kröten drin. Sie können sich hier doch wohlfühlen, oder? Es ist gar nicht so anders als mein eigenes kleines Zimmer. Als Kind in Dublin hatte ich Tiere auf meinem Kissen. Aber wenn Sie das irritiert, können wir andere Bezüge besorgen, billig, auf der Holloway Road. Okay?«
Lev betrat das Zimmer und setzte seine Tasche ab. Er hatte nicht alles verstanden, was Christy Slane gesagt hatte, nur, dass dies hier früher das Zimmer von Christys Tochter gewesen war, und jetzt war die Tochter weg. Er ließ den Blick über all das wandern, was dem Kind gehört hatte, und schaute dann aus dem Fenster auf einen Ahornbaum, dessen weit ausladende Äste fast die Scheibe berührten. Dann sah er zu Christy, der in der Tür stand, als betrete er nur ungern das Zimmer, seine Hände ließ er irgendwie hilflos hängen, und einen Moment lang war Lev wie erstarrt, denn er erkannte etwas von sich selbst in dem anderen Mann, eine gewisse Bereitschaft, aufzugeben und nicht zu kämpfen, eine gefährliche Sehnsucht danach, alles möge einfach vorbei sein.
»Das Zimmer ist sehr gut«, sagte Lev. »Ich nehme.«
»Schön«, sagte Christy. »Gut. Na, wenigstens hat Angela diese Vorhänge drangelassen. Und das ist die ruhige Seite vom das Haus. Außer sie grillen im Garten, wenn man das Garten nennen kann, so wie sie ihn halten, und sie haben im Augenblick einen Welpen, der manchmal nachts jault, wenn sie ihn nicht reinholen, aber sonst ist es ruhig. Jetzt zeig ich Ihnen das Bad.«
Das Badezimmer war ebenfalls weiß gestrichen und hell. Badewanne, Waschbecken und Toilette sahen neu aus. Lev bemerkte, wie ein listiges Lächeln über Christys Gesicht huschte. »Das pièce de résistance . Angela hätte es sich unter den Nagel gerissen, wenn sie gewusst hätte, wie man die Rohre abklemmt, aber zum Glück wusste sie es nicht.«
»Sehr schöne
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