Der weite Weg nach Hause
Mann. Wenn es morgen Abend noch ein bisschen danebengeht, ist das keine Katastrophe, weil wir Diät-Betrieb haben, aber für Silvester müssen wir absolut fit sein. Geh und kauf dir ein paar anständige Messer. Und zwar bei diesen Restaurantausstattern in Swiss Cottage. Ich gebe dir das Geld zurück. Und dann besorg dir ein bisschen was − Kopfsalat, Endivien, Kartoffeln, Möhren, was du finden kannst − und fangan zu üben, okay? Versuch, deine Hackgeschwindigkeit zu steigern. Und vergiss nicht, du musst den Griff des Messers bewegen, nicht die Spitze. Und sieh zu, dass du dir nicht in die Finger oder die Hand schneidest. Ich will kein Blut im Gratin sehen.«
»Ja, Chef.«
»Und mach dir keine Gedanken wegen des Spüldiensts. Ich suche mir eine neue Schwester. Die sind nicht so schwer zu kriegen. Ich gebe Sophie und dir eine Woche Zeit zur Probe. Wenn die Woche gut läuft, bekommst du mehr Geld. Sieben Pfund die Stunde. Wenn es scheiße läuft, gehst du zurück an die Spülbecken. Verstehst du mich, Lev?«
»Ja, Chef.«
»Gut. Jetzt liegt es bei dir. Es liegt jetzt allein bei dir.«
Er legte auf, und Lev blieb einen Moment sitzen und starrte sein Handy an. Dann ging er zu Christy, der gerade das Teegeschirr wegräumte. »Christy«, sagte er. »Ich gehe jetzt kaufen. Koche einen schönen Gemüsetopf für Abendessen.«
»Ja?«, sagte Christy. »Dann will ich dich nicht aufhalten, mein Freund. Ist mal eine nette Abwechslung zu Milch und Kuchen.«
Mini-Romanasalat: Strunk entfernen, Blätter lösen und waschen, trocken schleudern, mit feuchtem Handtuch bedeckt im Sieb für die Köche bereithalten.
Babymöhren: oben abschneiden, dabei gut einen Zentimeter sauberes Grün stehen lassen, schaben und waschen, bereithalten.
Spinat: waschen, bei niedriger Hitze dämpfen, wenn erforderlich, trocknen, würzen ist Kochsache.
Rucola: waschen und schleudern, im Sieb lassen.
Grüne Bohnen: Enden abzupfen, zu große Exemplare entfernen (für Brühe), waschen, weiteres den Köchen überlassen.
Zucchini: Enden abschneiden, waschen und trocknen, je nach Bedarf in Stifte oder Scheiben schneiden.
Tomaten: blanchieren und häuten. Vorm Kleinschneiden Kerne entfernen.
Sophie hatte das, was sie ihren »Gemüseplan« nannte, für Lev aufgeschrieben und an die Wand gepinnt, und nun stand Lev über seinen neuen Arbeitsplatz gebeugt, schnitt, wusch, schabte, trennte, stiftelte. »Spitz die Ohren«, hatte GK ihm erklärt. »Wenn ich Spinat brauche, rufe ich das aus, Pierre und Sophie machen es genauso. Wenn wir gestiftelte Möhren brauchen oder in Scheiben geschnittenen Fenchel, rufen wir das ebenfalls aus. Und dann brauchen wir die Sachen schnell. Verstanden?«
»Verstanden, Chef.«
»Halt deine Schneidebretter sauber. Ich will keine Zucchinikerne auf meinem Endiviensalat. Und wenn du dir in den Finger schneidest, spül ihn, trockne ihn, verbinde ihn rasch und mach weiter. Pflaster und Verbandszeug sind da oben, über deinem Kopf. Zieh immer einen Fingerling über, damit kein Blut durchsickert.«
Levs Kopftuch war durch eine Baumwollmütze ersetzt worden, genau so eine, wie die Köche sie trugen. Sie saß hervorragend auf seinem geschorenen Kopf.
Hin und wieder sah Lev kurz zu dem dünnen 17-jährigen Jungen hinüber, der ihn als Schwester in seinem alten Abwaschkönigreich ersetzte. Jetzt trug dieser Junge das Kopftuch. Lev erschien er wie ein Piratenlehrling, der nervös mitten in einem stahlgrauen Meer stand. Einzelne Haarsträhnen waren unter dem Tuch hervorgerutscht und klebten, feucht vom Dampf, an seinem Hals. Er hieß Vitas und stammte aus Levs Land. Lev entwickelte Beschützergefühle für ihn, aber ihm fehlte die Zeit dafür. Die Wünsche der Köche erfolgten in kurzen Abständen und ließen nicht nach. Während er sich für ein Coulis mit dem Häuten und Entkernen von Tomaten abmühte, merkte er, dass Pierre Spinat brauchte, und GK, der Zucchinitörtchen formte, rief ihm zu, er habe keine Minzblätter mehr. Lev schob die Tomaten in einer blutigen Masse an den Rand seines Schneidebereichs, zog ein Bündchen Minze aus dem Kühlschrank, wusch es und begann, die Blätter abzuzupfen und in ein Sieb zu werfen.
»Lev!«, rief Pierre. »Spinat! Du hältst Tisch sechs auf.«
»Ich komme, Pierre ...«
Die Minzblätter klebten an Levs Händen. Er merkte, dass er die Blätter erst hätte abzupfen und danach waschen sollen. Er sah, dass Tomatensaft vorne an seiner Arbeitsplatte heruntertropfte. Er wischte sich die Hände ab,
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