Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
Vom Netzwerk:
ehe der Betrieb beginnt.«
    »Das werde ich, Chef.«
    »Sophie war sehr gut«, sagte Pierre.
    GK wandte sich Sophie zu und zauste ihre Locken. Lev sah, wie sie rot wurde. »Ich bin derselben Meinung«, sagte GK.
    »Tisch sieben hat sich wirklich sehr positiv über die Medaillons geäußert, Herzchen«, sagte Damian und nahm einen Schluck aus der Flasche.
    »Ich glaube, ich habe sie etwa eine halbe Minute zu lange gebraten«, sagte Sophie.
    »Lern daraus«, sagte GK. »Wir haben sie morgen wieder auf der Karte. Mach sie morgen perfekt, für Silvester.«
    »Sie war doch schon gut.« Pierre blieb beharrlich. »Erster Abend als Sous-Chef. Das war sie doch, Chef?«
    »Ja«, sagte GK. »Das sagte ich schon.« Er kehrte Sophie den Rücken und blickte zornig zu Vitas, nachdem er kurz in die Küche hinübergeschaut hatte, wo sich immer noch ungespülteTöpfe, Teller und Kochutensilien stapelten. Lev beobachtete Vitas, der sein Bier herunterstürzte und GKs wütenden Blick nicht zu bemerken schien. Ihm fiel auf, dass die Augen des Jungen vor Erschöpfung wie tot wirkten und dass sein Haar schlaff das blasse, ernste Gesicht umrahmte.
    »Was ist mit dir, Schwester?«, sagte GK. »Ist dir ein bisschen entglitten, was?«
    Vitas machte ein verständnisloses Gesicht.
    »Denn das da drinnen ist ein Chaos. Oder etwa nicht? Und das war ein Diät-Abend. Was ist schiefgelaufen?«
    »Ich bin müde«, sagte Vitas.
    Damian zog eine Grimasse. »Junger Mann«, sagte er, »habe ich es dir nicht gesagt? ›Müde‹ ist ein Wort, das wir in dieser Küche nicht benutzen. Wir leben damit, aber wir reden nicht darüber. Wir machen einfach weiter.«
    GK nickte zustimmend. Er sagte zu Vitas: »Die Küche muss sauber sein, bevor du gehst. Hast du verstanden, Schwester?«
    »Ich komme hier morgen früh ...«
    »Nein«, sagte GK, »du kommst verdammt noch mal nicht morgen früh. Morgen früh füllen wir die verschiedenen Kühlschränke auf. Waldo ist da und macht die Puddings. Ich könnte schon Sachen vorbereiten. Und keiner von uns setzt auch nur einen Fuß in eine dreckige Küche, kapiert?«
    Vitas blinzelte nervös. In seiner Muttersprache sagte er zu Lev: »Der Chef versteht nicht, dass ich jetzt schlafen muss.«
    »Was sagt er?«, fragte Damian Lev.
    »Er sagt, er ist sehr müde, aber er wird es tun. Ich werde ihm helfen.«
    »Okay, aber du solltest ihm nicht helfen. Du bist jetzt bei der Gemüsevorbereitung.«
    »Ich weiß«, sagte Lev. »Aber heute Nacht werde ich.«
    Lev merkte, dass Sophie ihn ansah. Ihr Blick war amüsiert, sexy und zärtlich. Er antwortete ihr mit dem Hauch eines Lächelns. Dann trank er sein Bier aus und stand auf. »Los, komm,Vitas«, sagte er. »In einer Stunde kannst du nach Hause gehen.«
    Jetzt war das Lokal, bis auf Lev und Vitas, leer. Lev hatte zugesehen, wie Sophie, den Fußballschal um den Kopf gewickelt, mit dem Rad in die Dunkelheit aufgebrochen war. Dann hatte er seinen alten Platz an den Spülbecken wieder eingenommen und Vitas angewiesen, Herdplatten und Grills zu putzen und den Boden zu wischen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Vitas sich sehr langsam, fast traumverloren bewegte und kaum zu begreifen schien, was von ihm verlangt war. Ratlos starrte er auf fettige Flächen, fuhr erfolglos mit einem Tuch darüber und vergaß den Topfkratzer in seiner anderen Hand.
    Lev spülte die Töpfe zu Ende, schickte die Spülmaschine in ihre letzte Runde, wischte die Becken sauber, warf die feuchten Geschirrtücher in den Wäschekorb und hängte neue an die Stahlhaken. Er warf einen fast zärtlichen Blick auf den Arbeitsplatz, an dem er, wie es ihm vorkam, sein ganzes Leben lang geherrscht hatte, sah auf die Uhr. Es war 00.55. Er wusste, wohin er nun gehen würde ...
    Vitas stand auf seinen Wischmopp gestützt da. Und jetzt sah Lev, dass ihm die Tränen über das Gesicht liefen. Obwohl er am liebsten gegangen wäre, war ihm klar, dass er Vitas jetzt nicht im Stich lassen konnte. Er ging zu ihm und nahm ihm den Mopp aus der Hand. »Du brauchst einfach Schlaf, nicht wahr?«, sagte er.
    »Ich kann diese Arbeit nicht ...«, schluchzte Vitas.
    »Nein?«
    »Mir fehlt mein Hund.«
    »Dir fehlt dein Hund?«
    »Mein Hund Edik. Ich denke an Edik, der an der Tür meiner Mutter auf mich wartet. Ich wollte Edik gern nach England mitnehmen, aber ich durfte nicht. Sie sagten, er könnte Tollwut haben. Aber das hat er nicht. Er ist der beste Hund ...«
    Ein Weinkrampf schüttelte Vitas. Lev reichte ihm ein feuchtes Geschirrtuch, setzte

Weitere Kostenlose Bücher