Der weite Weg nach Hause
ließ Wasser in sein Becken laufen, warf den Spinat hinein, kehrte zu seiner Minze zurück, wobei er mit dem Ellbogen das kalte Wasser abdrehte. Er blickte kurz hoch und sah, dass GK seine eigene Arbeit unterbrach, um ihn seinerseits anzustarren, und er kannte mittlerweile die Bedeutung dieses bohrenden Blicks. Worte waren nicht nötig.
Er dachte an die versprochenen sieben Pfund die Stunde. Damit würde er vielleicht die Sendungen an Ina um zehn Pfund pro Woche erhöhen können. Und dann würde sie, anstatt ständig wegen seiner Rückkehr zu lamentieren, vielleicht endlich stolz sein auf das, was er zu tun versuchte ...
»Also mach es«, befahl er sich, indem er eine von GKs kategorischen Anweisungen wiederholte. »Bleib ruhig, so wie in Ferndale Heights, und mach es.«
Er nahm das Spinatsieb. Mit Daumen und Zeigefinger zupfte und riss er weiter an der Minze. Er tanzte mit der Minze bei GK an, kam zurückgetanzt, türmte den sauberen Spinat in das Sieb, presste ihn aus, packte noch mehr drauf. Pierre stand neben ihm und sah zu. Wütend über seine erzwungene Untätigkeit, schlug er Lev mit einem Geschirrtuch auf die Schulter.
»Okay, Lev. Los, mach! Ich brauch den Spinat ...«
Er sah, dass Vitas sich umdrehte und herüberstarrte. Im Blick des Jungen lag blankes Entsetzen. Sophie kehrte ihm weiter den Rücken zu. Sie verteilte gerade Lammmedaillons auf Teller, jedes sorgfältig mit einem Löffel Zwiebelgelee garniert. Levs Hände waren vom Spülen mit kaltem Wasser aufgerissen. GK beugte sich wieder über seine Zucchinitörtchen. Lev betete, dass er Pierre den Spinat liefern konnte, ehe GK erneut hochblickte.
Jetzt war es geschafft. Pierre entriss ihm das Sieb, warf eine Hand voll Blätter in eine wartende Pfanne.
»Lev«, rief Sophie, »ich brauch die Tomaten in etwa zweieinhalb Minuten.«
»Ja«, sagte er ruhig. »Tomaten kommen.«
Er riss etwas Küchenkrepp ab und wischte den heruntergetropften Tomatensaft auf, machte sich dann wieder ans Würfeln. Die Tomatenkerne waren widerspenstig, gallertartig, und blieben am Tomatenfleisch kleben. Er musste sie mit den Fingern herausklauben. Er war fast fertig mit der Arbeit, als er ein Spinatblatt in der Schüssel mit den Tomaten entdeckte. »Beim Kochen«, hatte GK einmal zu ihm gesagt, »handelt es sich zu mindestens achtzig Prozent um Trennen und Verschmelzen. Ein Koch widmet sich fast immer einem der beiden Prozesse. Ein Gastronom in Frankreich, den ich kenne, benutzte gern die Begriffe divorce und amour ...«
Nun hatte Lev also dieses verliebte grüne Spinatblatt auf dem einladenden Tomatenfleisch gefunden. Er lächelte, als er es herauspflückte und ihm ein zweites Leben im Suppentopf für die Brühe verweigerte. Er würfelte die Tomaten zu Ende und brachte Sophie die Schüssel. Er sah, dass ihr Gesicht unter der weichen Mütze rosig und feucht war und ihre Zungenspitze unschuldig über die Oberlippe fuhr, während sie vorsichtig jeweils eine Spargelstange über ein Medaillon legte. Vor lauter Verlangen nach ihr drehte sich ihm der Kopf. Sie sah prüfend in die Tomatenschüssel. Dann lächelte sie ihn an und sagte: »Okay. Fein.«
Ihr Lächeln machte ihn ganz verrückt. Er wollte sie berühren − einfach ihre Wange streicheln oder, besser noch, seine Hand über die süßen Rundungen ihres Hinterns gleiten lassen −, aber sie hatte ihm abverlangt, ihn versprechen lassen, die Affäre vor der Belegschaft von GK Ashe geheim zu halten. Sie sagte, es würde das Teamgefühl »trüben«. Sie sagte, es würde GK nervös machen.
Also ließ er sie in Ruhe und kehrte zu seinem Arbeitsplatz zurück. Er hatte das Gefühl, dort kehre wieder Ordnung ein. Neben ihm summte der Gemüsekühlschrank in der satten, feuchten Luft. Er trug die leere Tomatenschüssel hinüber zu Vitas, der gerade eine Bratpfanne schrubbte. Er sah, dass Vitas’ Füße im Wasser standen und seine Hose klatschnass war. Er holte Wischmopp und Eimer und gab beides rasch dem Jungen. »Wisch es jetzt auf«, sagte er leise, »bevor der Chef es sieht.«
Es war eine Crostini-Nacht.
Als alle saßen, ihr Bier und das heiße, ölig duftende Essen vor sich, sagte GK: »Nicht schlecht, wenn man bedenkt. Habt ihr alle gut gemacht.«
»Chef«, sagte Lev, »morgen werde ich schneller sein.«
»Du warst okay. Was gut war, du hast keine Panik gekriegt. Ich habe registriert, dass du keine Panik gekriegt hast , und das hat mir gefallen. Aber komm morgen früher, Lev, erledige noch mehr von deinen Vorbereitungen,
Weitere Kostenlose Bücher