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Der weite Weg nach Hause

Der weite Weg nach Hause

Titel: Der weite Weg nach Hause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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Vorbereitungen, doch nicht der Held in der Geschichte von Mayas Geburt werden müssen. Der Bus landete rechtzeitig auf dem Krankenhausgelände, und die Fahrgäste spendeten Beifall, die Babuschka setzte einen dicken Schmatz auf Marinas Wange, und der Fahrer wischte sich die schweißglänzende Stirn. Pfleger kamen mit einer Trage aus dem Krankenhaustor gerannt, und Marina wurde weggerollt. Lev konnte ihnen nur noch folgen, mit dem Wodkageruch in der Nase, der von ihm selbst aufstieg.
    Der Krankenhausflur war grün gestrichen. Lev versuchte, mit einer Hand auf der Trage neben ihr herzurennen. Doch dann kam eine Schwingtür und verstellte ihm den Weg. Die Tür verschluckte die Trage mit Marina, und ein Arzt in weißem Kittel, der aus dem Nichts auftauchte, befahl Lev, auf einem Holzstuhl zu warten, ähnlich denen im Baudezernat.
    Lev setzte sich. Er konnte seinen keuchenden Atem hören. Er war allein in der Wartezone, und er saß sehr lange Zeit auf dem Holzstuhl. In einem Blechaschenbecher türmten sich die Zigarettenkippen. Der Wodka verdampfte auf seiner Haut.
    Endlich erschien eine Schwester in der Tür und hielt ein fest gewickeltes Bündel hoch. »Eine Tochter«, sagte sie kurzangebunden. »Ihre.«
    Lev trank mit Christy zusammen Tee. Sie rauchten und husteten in trautem Verein. Er schaute Christy an und stellte fest, dass seine Ekzeme zurückgegangen waren, dass sein Gesicht etwas Farbe bekommen hatte.
    »Muss der Schlaf gewesen sein«, meinte Christy. »Hab 39 Stunden geschlafen − einfach, um sicher zu sein, dass ich kein einziges Fitzelchen Weihnachten mitkriege. Verstehst du? Hab mehrmals das Telefon klingeln gehört. Bin hoch zum Pissen. Hab ein Glas Milch getrunken. Außerdem haben die Pillen mir ausgezeichnete Träume geschenkt. Haben mich putzmunter gemacht.«
    »Ja?«
    »Ja. Weißt du, dass dein Haar verflixt kurz ist? War das Absicht?«
    »Sophie sagte, ich sah wie eine Siebzigerjahreperson aus.«
    »Ich finde, dir standen die langen Haare, aber egal. Um auf meinen Traum zurückzukommen: Ich war in Silverstrand in Suffolk, wo Angela und ich ein oder zweimal mit Frankie waren. Herrliches Meer dort. Hübscher Strand und sauber. Ich trieb am Ufer entlang, leicht wie der Wind, aller Kummer war weg. Die Brecher kamen herangerollt, die Gischt leuchtete in der Sonne, und ich sah all die Schönheit, jede Einzelheit davon.«
    »Das ist ein schöner Traum, Christy ...«
    »Stimmt, das war er. Und als ich schließlich aufwache und die Pillen nicht mehr wirken, fühl ich mich plötzlich ganz optimistisch und denke mir, vielleicht können wir ja, mit Sophie als Anstandswauwau, einen Ausflug mit Frankie machen − ohne dass Angela mir im Nacken sitzt. Was sagst du dazu, Kumpel? An einem Sonntag. Wir könnten alle in den Zoo gehen.«
    Lev drückte seine Zigarette aus. »Oder zu dem Ort in deinem Traum«, sagte er. »Silverstrand. Wieso nicht da?«
    Christy starrte Lev an. Er begann, wie so häufig, nervös zu blinzeln.
    »Ich weiß nicht ...«, sagte er. »Im Traum war es herrlich, aber es ist schon eine Weile her, dass ich da war ...«
    »Gehen neben den Wellen«, sagte Lev, »oder rennen.«
    »Rennen?«
    »Ja. Auf dem Sand.«
    »Immer mit der Ruhe, Kumpel. Bin nicht sicher, ob ich noch rennen kann! Könnte mit dem Gesicht in einer Wasserlache landen. Dann würden die Möwen anfangen, das Gelände zu umkreisen.«
    Als Christy zu lachen begann und aus dem Lachen ein Husten wurde, klingelte Levs Telefon, und er ging damit in sein Zimmer, weil er dachte, es könnte Sophie sein, die ihn aufforderte zurückzukommen, doch es war GK Ashe.
    »Schwester«, sagte GK, »wie war Weihnachten?«
    »Gut«, sagte Lev. »Danke, Chef.«
    »Okay. Das freut mich. Also, jetzt hör zu. Wir haben eine Krise. Tony ist gegangen.«
    »Ja?«
    »Mistkerl. Hat nicht anständig gekündigt und lässt uns in der merde sitzen, denn Silvester sind wir voll, scheißgerammelt voll. So, und das habe ich jetzt vor. Ich mache Sophie zum zweiten Sous-Chef. Das hat sie längst verdient, weil sie sehr engagiert ist, zuguckt und lernt, weshalb ich denke, das packt sie. Kapiert?«
    »Gut, Chef.«
    »Und ich möchte, dass du die Gemüsevorbereitung übernimmst. Das ist nicht schwer. Keine Geheimwissenschaft, man muss nur sorgfältig sein. Bist du bereit?«
    Lev setzte sich auf sein Bett und schaute auf den Kaufladen und den altmodischen Ladenbesitzer, der immer noch ausgestreckt hinter seiner Theke lag.
    »Ich werde das machen, Chef«, sagte er.
    »Gut. Guter

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